Nachrichten für Außenhandel (NfA)

Teaserbild 'Nachrichten für Außenhandel (NfA)'

"Nachrichten für Außenhandel (NfA)" – die einzige deutschsprachige Tageszeitung für die gesamte Außenwirtschaft bietet einen schnellen und strukturierten Überblick über die wichtigsten Entwicklungen auf den internationalen Wachstumsmärkten.

Die NfA liefert hochwertige und praxisrelevante Hintergrundinformationen, ausführliche Analysen und Bewertungen -  deutlich umfassender als in der Wirtschaftstagespresse. Im Fokus stehen die deutschen Exportbranchen mit Schwerpunkt auf Investitionsgütern

China: Kaufkraft in 20 Jahren verzwölffacht

Erscheinungsdatum Website: 05.12.2011 11:55:08
Erscheinungsdatum Publikation: 06.12.2011

zurück zur Übersicht

Stadt-Land-Kontrast verschärft sich / Von Bernd Schaaf

SHANGHAI (NfA/gtai)--Die Kaufkraft der chinesischen Bevölkerung hat sich zwischen 1990 und 2010 ungefähr verzwölffacht. Eine immer wohlhabendere Mittel- und Oberschicht fragt zunehmend höherwertige Konsumgüter nach. Nach wie vor existieren allerdings große Kaufkraftunterschiede zwischen Ostküste und Hinterland und zwischen Stadt- und Landbevölkerung. Diesen Unterschieden müssen Konsumgüterhersteller bei der Wahl von Standorten und Absatzkanälen Rechnung tragen.

Die Kaufkraft der chinesischen Bevölkerung stieg in den letzten drei Jahrzehnten sprunghaft. So belief sich das verfügbare Einkommen städtischer Haushalte pro Kopf 2010 auf 19.109 CNY (etwa 2.130 EUR). Das war etwa das Dreifache der verfügbaren Einkommen von 2000 von 6.280 CNY und mehr als das Zwölffache der Einkommen 1990 1.510 CNY). Ähnlich zeigt sich die Entwicklung des ländlichen Raumes. Die großen Disparitäten zwischen städtischer und ländlicher Bevölkerung blieben allerdings nicht nur bestehen, sondern haben sich sogar leicht ausgeweitet.

Da Löhne und Gehälter kontinuierlich steigen, erwarten Beobachter, dass das jährliche Wachstum der Kaufkraft auch künftig im zweistelligen Prozentbereich liegen dürfte. Die US-Consulting-Firma Booz & Co. prognostiziert etwa in "China Consumer Market Strategies 2011", dass China spätestens 2015 nach den USA der weltweit zweitgrößte Konsumgütermarkt sein wird. Nach Angaben des National Bureau of Statistics (NBS) stieg der chinesische Einzelhandelsumsatz seit 2001 von 3.760 Mrd CNY bis 2010 auf 15.455 Mrd CNY an und lag damit beständig über dem Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

An der Ungleichverteilung der Einkommen zwischen Stadt und Land hat sich in China in den vergangenen Jahren nichts geändert, und auch innerhalb der Städte sind die Unterschiede weiterhin erheblich. Dies zeigt zum Beispiel die Verteilung der Pro-Kopf-Einkommen städtischer Haushalte. Das Durchschnittseinkommen lag 2010 bei 21.033 CNY. Die ärmsten 10% der Bevölkerung hatten Einnahmen von durchschnittlich nur 6.704 CNY im Jahr, während das reichsten 10% über 56.535 CNY pro Kopf verfügte.

Nach einer Studie der Boston Consulting Group von Anfang des Jahres, die die Mittelklasse mit einem jährlichen Haushaltseinkommen von 60.000 CNY definiert, wird sich diese Schicht in den kommenden zehn Jahren von 150 Mio Menschen auf 400 Mio nahezu verdreifachen.

Trotz der raschen Zuwächse im Einzelhandel sind in China Sparwille und -bereitschaft weiterhin stark ausgeprägt. Nach NBS-Angaben beliefen sich die Sparguthaben der Bevölkerung Ende 2010 auf 30.302 Mrd CNY. Das waren 16,3% mehr als vor Jahresfrist und entsprach rund drei Vierteln des Bruttoinlandsprodukts. Das Konsumverhalten der Verbraucher hat sich in den vergangenen Jahren rasch gewandelt. Der Anteil des Einkommens, der für Nahrungsmittel und Getränke ausgegeben wird, ist deutlich gefallen. Insgesamt gleicht sich die Ausgabenstruktur rasch der des westlichen Auslandes an. Gerade Sparten wie die Telekommunikation weisen überdurchschnittliche Zuwächse auf. Nach Angaben des Statistical Yearbook of China verfügt der Großteil der chinesischen Haushalte außerdem inzwischen in erheblichem Umfang über dauerhafte Konsumgüter.

Immer mehr Chinesen, die früher kaum über die Grenzen ihrer traditionellen Heimat hinausgekommen sind, sehen sich durch eigene Reisen und den modernen Medien einschließlich Internet mit einem Lifestyle konfrontiert, der entweder aus Metropolen wie Beijing und Shanghai oder dem westlichen Ausland stammt. Dadurch wurden und werden die eigenen Ansprüche an Konsumgüter nachhaltig verändert.

Insbesondere das Internet, der PC sowie die mobile Kommunikation haben die Möglichkeiten zur Produktinformation innerhalb kürzester Zeit revolutioniert. Für chinesische Hersteller inzwischen normal, im Netz präsent zu sein, während ausländische Anbieter den Trend offensichtlich verschlafen haben, so die Schlussfolgerung aus Unternehmensbefragungen für "China Consumer Market Strategies 2011". Erstaunliche 41% der befragten ausländischen Firmen haben sich bislang über einen Internetauftritt keine Gedanken gemacht und haben dies auch künftig nicht vor. Auf chinesische Anbieter trifft dies hingegen nur zu 6% zu.

Chinesische Unternehmen identifizierten mehrheitlich das Internet als das wichtigste und trendentscheidende Medium und als wichtigen Verkaufskanal, über den sie schon mehr als 10% ihrer Umsätze generieren Ausländische Firmen sehen dagegen eher die verstärkte Konfrontation mit anderen Lebensstilen durch Medien oder Reisen als trendbestimmend an..

Für den chinesischen Verbraucher spielen Gesundheit und Ernährung eine immer wichtigere Rolle. Unzählige Skandale um minderwertige oder gesundheitsgefährdende Produkte haben dazu geführt, das Chinesen inzwischen sehr viel mehr Wert auf die Qualität der Nahrungsmittel, Getränke oder Bekleidung legen als dies noch vor wenigen Jahren der Fall war. Auch der demografische Wandel wird sich auf die Konsumgewohnheiten auswirken. Die schnell alternde Gesellschaft wird künftig ganz andere Ansprüche an Produktinnovation, Verpackungsgrößen oder Design stellen, während gleichzeitig die Vertriebswege - zum Beispiel Auslieferung von Waren - angepasst werden müssen.

Ferner steht zu erwarten, dass sich die früher großen Unterschiede zwischen Stadt und Land zusehends verwischen. Dank der stark gestiegenen Mobilität durch den Ausbau des Straßen- und Eisenbahnnetzes bestehen sehr viel mehr Einkaufsmöglichkeiten als früher. Da immer mehr Chinesen einer relativ wohlhabenden Mittelklasse angehören dürften außerdem Freizeitaktivitäten, Reisen ins Ausland oder Interesse an Kunst oder Technik ins Alltagsleben Einzug halten und die Bedürfnisse der Konsumenten stark verändern.

Kreditkartensysteme haben sich in China in den letzten Jahren rasant ausgeweitet. Nach Angaben der China Banking Association verfügten Ende 2010 mehr als 230 Mio Chinesen über eine Kreditkarte. Dies entsprach einem Zuwachs von 24% im Vergleich zum Vorjahr. Ebenso zügig haben die Einzelhändler ihre Kreditkartensysteme ausgeweitet. 2,2 Mio Retailer bieten mittlerweile eine Bezahlung per Karte an - 39% mehr als vor Jahresfrist. 2010 entfiel knapp ein Drittel der Erlöse des Einzelhandels auf bargeldlose Bezahlung, so der Verband. Verbraucherkredite sind indes noch weitgehend unbekannt. Es entspricht nicht der chinesischen Mentalität, auf Basis von Dispositionskrediten zu konsumieren. Eine Verschuldung ist allenfalls beim Erwerb von Immobilien oder einem Pkw verbreitet.

Zumindest in den großen Städten im Osten des Landes wird der Einkauf in Supermalls zusehends geschätzt. Dabei ist nicht nur das Haushaltseinkommen entscheidend, sondern auch der Wohnort. So gaben in Tier-1-Cities 63% der befragten Konsumenten an, in Supermalls einzukaufen. In Tier-3-Städten waren es nur noch 21%. Nur 21% der befragten Konsumenten mit einem Jahreseinkommen von bis zu 5.000 CNY gaben an, in Supermalls einzukaufen. Der Anteil steigt auf 35% bei Haushalten mit einem Einkommen von zwischen 150.000 und 250.000 CNY.

Zu den expansivsten Konsumgütermärkten in China gehört das Luxussegment. Laut Prognosen des Beratungsunternehmens McKinsey wird bis zum Jahr 2015 ein Viertel der weltweiten Verkäufe von Luxusgütern auf China entfallen. Das Marktvolumen werde dann 27 Mrd USD erreichen. Auch Bain & Company bescheinigen dem chinesischen Markt ein sehr hohes Wachstum. Schon 2010 seien die Erlöse im Vergleich zum Vorjahr um 30% auf 9,2 Mrd. Euro gestiegen, und für das kommende Jahr wird ein Zuwachs um 25% auf 11,5 Mrd EUR erwartet. Unter den meistbegehrten Marken befinden sich ausschließlich westliche Hersteller, wobei italienische und französische Anbieter die Nase vorn haben. Deutschland ist mit nur einem Produkt vertreten: Automobile der VW-Tochter Audi.

NfA/6.12.2011

Kontaktanschriften:

Ministry of Commerce (MoC)

Tel.: 0086/10/51 65 12 00

Internet: www.mofcom.gov.cn

zurück zur Übersicht