Ostwirtschaftsreport

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Öl-Multis buhlen um Schiefergaskonzessionen

Erscheinungsdatum Website: 19.08.2010 15:35:02
Erscheinungsdatum Publikation: 24.08.2010

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KIEW (owr/gtai)--Bei der Suche nach unkonventionellen Erdgasquellen zum Beispiel in massivem Schiefergestein setzen Energiekonzerne wie Shell, ExxonMobil, Chevron, Marathon Oil, ConocoPhillips, TNK-BP und Total Hoffnungen auch auf die Ukraine. Im ersten Halbjahr ist es zur Unterzeichnung erster Verträge und Absichtserklärungen über entsprechende Such- und Erkundungsarbeiten gekommen. Eine wichtige Rolle bei den Projekten spielen die US-Gesellschaft Euro-Gas und deren Tochterfirmen in Polen und der Ukraine.

Bei Euro-Gas handelt es sich um eine private Firma, an der nicht näher bezeichnete Investoren beteiligt sind. Jenseits der Grenzen der USA verfolgt das Unternehmen, was europäische Länder anbetrifft, Geschäftsinteressen in Polen, in der Slowakei und in der Ukraine. Neben Öl- und Gaskonzessionen in Polen und in der Ukraine hält das Unternehmen direkt und indirekt mehrere Beteiligungen im Gold- und Silber-Bergbau in den USA sowie an einer der weltweit größten Talk-Lagerstätten im Osten der Slowakei. In Polen schürft die Tochtergesellschaft Euro-Gas Polska nach Kohlenwasserstoffvorkommen.

In der Ukraine hat die dortige Tochter Euro-Gas Ukraine im Januar drei weitere Konzessionen zur Erschließung und Ausbeutung schwer zugänglicher unkonventioneller Gasquellen erworben. Bereits 2008 hatte sich die Firma zwei solcher Konzessionen gesichert. An Euro-Gas Ukraine hält der Investmentfonds ZNVKIF New Technologies des ukrainischen Geschäftsmanns Ivan Avramovych eine 50-prozentige Beteiligung.

In die Schiefergas- und Flözgasprojekte von Euro-Gas in der Ukraine wird sich möglicherweise die französische Total einschalten. Mitte April schloss deren Tochter Total E&P Activites Petrolieres mit Euro-Gas ein als vertraulich deklariertes Abkommen, welches die Exploration von Schiefergas- und anderen unkonventionellen Erdgasvorkommen in der West-Ukraine und gegebenenfalls eine Joint-Venture-Beteiligung von Total am Lagerstättenabbau vorsieht. Die Vorkommen sollen sich unweit der polnischen Grenze befinden. Die Euro-Gas Ukraine hält dort mehrere Erkundungskonzessionen für Schiefergas und Flözgas (CBM) mit Abbaurechten.

Das Wirtschaftsblatt Kommersant will erfahren haben, dass der französische Energiekonzern mit Investitionen in Höhe von mindestens 200 Mio USD rechnet, sofern sich die Vorkommen als abbauwürdig erweisen sollten. Mit den Erkundungsbohrungen solle im kommenden Jahr begonnen werden, wobei an den Einsatz von in Nordamerika bereits angewendeten Horizontalbohrtechnologien gedacht sei.

Im polnischen Teil des Kohlebeckens sind die Konzerne ExxonMobil, Chevron und Marathon Oil aktiv. Diese Gesellschaften sowie Polens nationaler Öl- und Gaskonzern PGNiG haben dort kürzlich Erkundungskonzessionen erworben. Es soll auch bereits mit der Exploration von Schiefergaslagerstätten begonnen worden sein. Die Schiefergasgebiete in Südost-Polen und in der West-Ukraine gehen ineinander über und sind nur durch den Grenzverlauf getrennt. Die beiden Erdgasreviere könnten nach Darstellung ukrainischer Wirtschaftspolitiker und -planer zu einem "galizischen Katar" verschmelzen.

In einer Pressemitteilung von Euro-Gas gab der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens Wolfgang Rauball bekannt: "In den vergangenen 13 Jahren haben wir aufwändige geologische und technische Forschungen auf unserer früheren Flözgas-Konzession betrieben und dabei umfassende Erkenntnisse über ältere sowjetische geologische Bohrstellen in der West-Ukraine gewonnen. Unsere Forschungsergebnisse lassen eindeutig und ohne Zweifel darauf schließen, dass die Mächtigkeit der Shale Gas Formation in unserem Gebiet im westukrainischen Teil des Lubliner Beckens - ebenso wie auf der polnischen Seite - bedeutend größer ist als im Falle der ertragreichen und bereits produzierenden Shale Gas Felder, welche in den letzten Jahren durch die US-Multis ExxonMobil, Chevron und Marathon Oil in den USA entdeckt wurden."

Auch der Energiekonzern Royal Dutch Shell zeigt Interesse an den Schiefergasvorkommen in der Ukraine. Konkrete Projekte gibt es bislang jedoch nicht. Shell verfügt in der Ukraine bislang über keine Konzessionen oder Lizenzen zur Erkundung unkonventioneller Gasquellen.

Schiefergas- und Flözgaslagerstätten werden auch in der Zentral- und in der Ost-Ukraine vermutet, in der Dnepr-Donets-Senke. Auf diese Region richtet sich das Interesse solcher transnationaler Energiekonzerne wie Shell und TNK-BP, aber auch ukrainischer Unternehmen wie Geo Alliance.

Geo Alliance ist nach Angaben seines Generaldirektors Leonid Petukhov mit einer jährlichen Fördermenge von circa 150 Mio cbm der drittgrößte private Erdgasproduzent in der Ukraine. Man wolle sich künftig an Vorhaben zur Gewinnung von Erdgas aus Schiefergestein, aus Tonsand oder aus bituminösem Mergel beteiligen. Auch der ukrainische staatliche Energiekonzern Naftogaz hat nach Darstellung seines Pressesprechers Valentyn Zemlyansky Interesse an der Erschließung nichttraditioneller Erdgasquellen.

Vor circa vier Jahren hatte eine erste und bisher einzige offene internationale Ausschreibung von Schürfrechten in einem bestimmten der Halbinsel Krim südöstlich vorgelagerten Schelfabschnitt stattgefunden. Als Siegerin aus dieser ist die gemischtnationale Firma Vanco Prykerchenska hervorgegangen. An Vanco Prykerchenska hält die Brennstoff- und Energie-Compagnie des Donbass (DTEK) eine Kapitalbeteiligung von 25%. Dieses im ukrainischen Energiesektor führende Unternehmen gehört zur Industrie-Holding System Capital Management (SKM) des Tycoons Rinat Akhmetov.

Borys Ilyenko vom Institut für Erdgas der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine (NANU) vertritt die Ansicht, dass Investitionen in die Erschließung einheimischer unkonventioneller Gasquellen und der Einsatz neuartiger Fördertechniken die Gewinnung von 15 Mrd bis 20 Mrd cbm Erdgas pro Jahr ermöglichen würden. Der Brennstoff- und Energieminister Yuriy Boiko nannte im Juni 2010 eine Frist von fünf Jahren, innerhalb derer die Ukraine "zusätzlich 20,0 Mrd cbm Erdgas per annum aus alternativen Quellen, darunter Schiefergas und Gruben-Methan", fördern werde. Das wäre mehr als die Hälfte der Erdgasmenge, welche die Ukraine 2009 aus Russland importiert hat (33,0 Mrd cbm) beziehungsweise 2010 plant zu importieren (36,5 Mrd cbm).

Die gesamten einheimischen Schiefergasvorräte werden auf 5.000 Mrd bis 8.000 Mrd cbm geschätzt, Schelfgas-Lagerstätten nicht eingerechnet. Mykhailo Volynets, Abgeordneter der Obersten Rada und Mitglied des Parlamentsausschusses für die Brennstoff- und Energiewirtschaft, beziffert die gesamte Investitionssumme, die für die Erschließung der ukrainischen gashaltigen Schiefergesteinsformationen aufgewendet werden müsste, auf umgerechnet 1,5 Mrd bis 2 Mrd USD.

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