Ostwirtschaftsreport

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Ölmühlenindustrie der Ukraine trotzt der Wirtschaftskrise
Erscheinungsdatum Website: 29.07.2009 18:15:03
Erscheinungsdatum Publikation: 04.08.2009
KIEW (owr/gtai)--Bisher mit am besten durch die Krise gekommen sind unter den Branchen im Agrar-industriellen Komplex die ukrainischen Hersteller von Sonnenblumenöl und anderen vegetabilischen Ölen und Fetten. Aber auch bei ihnen wachsen infolge des stark erschwerten Zugangs zu Krediten die Liquiditäts- und Solvenzprobleme. Zu den finanziellen Schwierigkeiten tragen nicht zuletzt auch die Verzögerungen und Ausfälle bei den Mehrwertsteuerrückerstattungen durch die Staatliche Steuerverwaltung der Ukraine (DPAU) an exportierende Unternehmen bei.
Die Sonnenblumen-Rekordernte des Jahres 2008 und die relativ hohe Nachfrage nach pflanzlichen Ölen auf dem Weltmarkt bescherte der Ölmühlen-Industrie der Ukraine als nahezu einziger Branche in der Agrar- und Nahrungsmittelindustrie ein Produktions- und Exportwachstum auch nach dem Übergreifen der Weltfinanzkrise auf das Land.
Der Ernteertrag 2008 hatte bei 6,53 Mio t gelegen, das waren 56 Prozent mehr als 2007. Die inländischen Verarbeitungskapazitäten der insgesamt zirka 30 Ölmühlen betragen Schätzungen zufolge 7 Mio bis 7,5 Mio t Sonnenblumenkerne per annum. Darüber hinaus bestehen landesweit mehr als 1.000 Öl-Kleinstmühlen und -pressen, die meist für den Eigenbedarf der jeweiligen Betreiber arbeiten.
Bekannt sind eine ganze Reihe von Neuvorhaben zum Bau von Ölmühlen. Die neuen Betriebe werden in der Regel für die Verarbeitung nicht nur von Sonnenblumenkernen, sondern auch von anderen Ölsaaten (Raps, Soja) ausgelegt. So plant der Agrar-Konzern Mironivsky Khliboprodukt, größter Geflügelfleisch-Erzeuger der Ukraine, für September 2009 in Katerynopil (Region Cherkassy) die Inbetriebnahme einer neuen Ölmühle mit projektierter Verarbeitungskapazität von 600 t pro Tag.
Der Ausbau der Pflanzenöl-Industrie dürfte zu verschärfter Konkurrenz der Erzeugerbetriebe um Ölsaaten als Einsatzrohstoff führen, zumal sich die Ukraine im WTO-Beitrittsprotokoll verpflichtet hat, die Exportzölle auf Sonnenblumenkerne jährlich schrittweise auf 10% zu senken. Im Kalenderjahr 2009 beträgt der Zollsatz 13%. Im laufenden Marketing-Jahr (September 2008 bis August 2009) waren mit Stand von Ende März bereits 543.000 t Sonnenblumenkerne exportiert worden. Für das Gesamtjahr erwartet man ein Ausfuhrvolumen von 700.000 t. Im Marketing-Jahr 2007/2008 (mit einem Exportzollsatz von 17%bis Mai 2008 und 14% von Mai bis Dezember 2008) hatten die Ausfuhren bei nur 75.000 t gelegen.
Valeriya Listopad, Chefredakteurin des Branchen-Informationsdienstes "Maslozhirovoi Kompleks" und geschäftsführende Direktorin der Agrar-Informationsagentur "Ekspert Agro" (Dnipropetovsk), stellt aber in Abrede, dass es bei Sonnenblumenkernen kurzfristig zu Versorgungsengpässen auf dem Binnenmarkt kommen könnte. Im Herbst 2008, in einer Schwäche-Phase der Nachfrage nach Sonnenblumenöl, hatte die Regierung in Kiew vorübergehend erwogen, den Ausfuhrzoll auf Sonnenblumenkerne freiwillig abzuschaffen. Damals fürchteten die ukrainischen Ölmühlen-Betreiber, im Falle eines entsprechenden Parlamentsbeschlusses plötzlich ohne Rohstoff dazustehen. Verschärft wurde die damalige Situation durch sinkende Weltmarktpreise für pflanzliche Öle.
Jedoch - das ukrainische Parlament hielt am Ausfuhrzoll auf Sonnenblumenkerne fest. Außerdem notierten Pflanzenöle auf den internationalen Märkten bald wieder preislich fester. Grund war unter anderem die dürrebedingte Missernte bei Sojabohnen und Sonnenblumenkernen in Argentinien. Im Ergebnis hat die Branche nach Darstellung des Verbands UkrOliyaProm gute Chancen, das Marketing-Jahr 2008/2009 mit den besten Ergebnissen der letzten Jahre abzuschließen. Die Produktion von Sonnenblumenöl habe im Zeitraum September 2008 bis Juni 2009 etwa 2.160.000 t ausgemacht. Dies entspreche einer Zunahme um 35 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Marketing-Jahres 2007/2008. Gleichzeitig habe der Export von Sonnenblumenöl ein Volumen von 1.760.000 t erreicht. Hier liege die Zunahme gegenüber dem Vergleichszeitraum 2007/2008 bei 52%.
Für das gesamte Marketing-Jahr 2008/2009 erwarten ukrainische Agrarexperten einen Inlandsausstoß von Sonnenblumenöl in Höhe von insgesamt 2,3 Mio bis 2,5 Mio t und ein Exportvolumen von 1,9 Mio t. Dies wären sowohl beim Erzeugungsvolumen als auch bei der Ausfuhr neue Rekordmarken für die Jahre nach 1991. Zum Vergleich: Im Marketing-Jahr 2007/2008 hatten die Produktion 1,75 Mio t und der Export 1.325.000 t ausgemacht.
Beim Inlandsverbrauch von Sonnenblumenöl rechnen die Fachleute trotz der Wirtschaftskrise mit einer Wiederholung des nun schon fast "traditionellen" Verbrauchs von annähernd 0,5 Mio t. Wegen der Veränderung der Preisrelationen seien Substitutionsprozesse derart möglich, dass der Verbrauch von relativ teurem Palmöl aus dem Import eingeschränkt und durch einheimisches Sonnenblumenöl ersetzt wird. (Im Marketing-Jahr 2007/2008 war Palmöl infolge der damaligen Wechselkursrelationen auf dem ukrainischen Binnenmarkt billiger als Sonnenblumenöl gewesen und hatte daher Marktanteile gewonnen.) Verbrauchsstimulierend werde sich außerdem der Umstand auswirken, dass die Binnenpreise für Sonnenblumenöl binnen Jahresfrist deutlich gefallen sind.
Für das Marketing-Jahr 2009/2010 erwarten ukrainische Agrarexperten keine Wiederholung der Rekordergebnisse des laufenden Jahres. Die Sonnenblumenernte 2009 werde wegen der Fröste im April, der geringen Niederschlagsmengen in einer Reihe von Regionen im April und Mai, der Einschränkung der Anbauflächen von 4,3 Mio ha (2008) auf 3,5 Mio ha (2009) sowie der krisenbedingt geringeren Ausbringung von Mineraldünger durch die landwirtschaftlichen Betriebe um 30 bis 40 Prozent unter dem Vorjahresertrag liegen.
Serhi Sevchuk, Abteilungsdirektor beim Agrar-Konzern Myronivsky Khliboprodukt (Kiew), rechnet für 2009 und 2010 nicht mit größeren Veränderungen in der Zusammensetzung der führenden Erzeuger pflanzlicher Öle und Fette in der Ukraine. Auch seien Übernahmen und Verschmelzungen von Unternehmen wenig wahrscheinlich. Nach Umsätzen sind die größten Anbieter der Konzern Cargill (Kiew; 2007: umgerechnet 675 Mio USD), Suntrade (Bunge Ukraine Gruppe, Kiew; 342), Kernel Trade (Kiew; 341), Vioil Agro Ukraine (Vinnytsya; 140), das Kombinat für Öle und Fette Zaporyzhzhya (111), Delta Vilmar (Yuzhny, Region Odessa; 84), Chumak (Kakhovka, Region Kherson; 76), Hansa Trade (Kiew; 66), das Kombinat für die Extraktion pflanzlicher Öle Polohy (Region Zaporyzhzhya; 64), das Kombinat für Öle und Fette Odessa (63), Oliyar (Stavchany, Region Lviv; 61), die Margarinefabrik Kiew (56), SlavianskOliya (Slaviansk, Region Donezk; 56), das Kombinat Cargill (Donezk; 49) und die Fabrik für die Extraktion pflanzlicher Öle Dnipropetrovsk (Suntrade, Bunge Ukraine Gruppe; 41). Die letztgenannte Fabrik hatte Bunge im März 2009 aus Sorge vor einer möglichen Wiederholung der Firmenjäger- ("Raider-") Attacken auf angeschlossene Konzernbetriebe in die Tochtergesellschaft Suntrade eingegliedert.
Die Säumigkeit der ukrainischen Finanzbehörden nimmt für manche Betriebe der ukrainischen Ölmühlenindustrie inzwischen existenzbedrohende Formen an. Die fristwidrig nicht bereinigten Außenstände der Exporteure von Sonnenblumenöl beispielsweise liegen nach Angaben des Fachverbands UkrOliyaProm inzwischen bei umgerechnet weit über 100 Mio USD. Andere Zahlen hat die Mehrwertsteuer-Stelle bei der Hauptsteuerverwaltung der Ukraine (DPAU); diese behauptet, das Obligo betrage nur umgerechnet knapp 30 Mio USD. Infolge der MwSt.-Außenstände sowie des stark erschwerten und verteuerten Zugangs zu Bankkrediten fehlt es vielen Betrieben an liquiden Mitteln für Einkäufe von Rohstoffen und Energie sowie für Lohnauszahlungen.
Der Verband UkrOliyaProm hat seinen Sitz in Kiew; ihm sind 32 Mitgliedsunternehmen angeschlossen, darunter überwiegend Hersteller von pflanzlichen Ölen und Fetten oder Margarine.