Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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EZB senkt Zinsen - neuer Zinskorridor

Erscheinungsdatum Website: 06.09.2024 18:00:44
Erscheinungsdatum Publikation: 09.09.2024

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FRANKFURT (Dow Jones)--Kommunikation ist alles: Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) dürfte am Donnerstag eine Senkung seiner Leitzinsen beschließen und zu erklären versuchen, dass die Senkung des geldpolitischen Schlüsselsatzes - des Bankeinlagensatzes - um 25 Basispunkte eine geldpolitische Lockerung darstellt, die Senkung von Haupt- und Spitzenrefinanzierungssatz um je 60 Basispunkte aber nicht. Damit nicht genug, werden Beobachter darauf achten, welche Signale EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf den künftigen Zinskurs gibt (wahrscheinlich nur sehr vorsichtige) und wie die neuen Inflations- und Wachstumsprognosen des volkswirtschaftlichen Stabs aussehen.

Die EZB macht ihre geldpolitischen Beschlüsse am Donnerstag (14.15 Uhr) bekannt, gegen 14.45 Uhr beginnt die Pressekonferenz mit EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Einen Tag vorher kommen die US-Verbraucherpreisdaten für August.

EZB verändert Zinskorridor - keine Lockerung

Bereits im März, als von Zinssenkungen noch keine Rede war, hatte der EZB-Rat beschlossen, dass der Abstand zwischen dem Bankeinlagensatz und dem Hauptrefinanzierungssatz ab 16. September von 50 auf 15 Basispunkte sinken soll. Grund: Die EZB will, dass wieder mehr Banken an den wöchentlichen Hauptrefinanzierungsgeschäften teilnehmen. Sie denkt dabei daran, dass die Überschussliquidität im System eines Tages so weit zurückgehen dürfte, dass dies die Refinanzierungskosten der Banken beeinflusst. In den USA war es einmal zu einem überraschenden und starken Anstieg der Marktzinsen gekommen. Wo auch immer also der Bankeinlagensatz demnächst liegt: Der Hauptrefinanzierungssatz liegt 15 Basispunkte darüber.

Unverändert bleibt dagegen der Aufpreis für Banken, die sich über Nacht Notliquidität zum Spitzenrefinanzierungssatz besorgen müssen. Der Abstand zum Hauptrefinanzierungssatz beträgt weiterhin 25 Basispunkte - der zum Einlagensatz aber nur noch 40 (derzeit: 75) Basispunkte.

Warum ist das keine Senkung im geldpolitischen Sinn? In einem Umfeld sehr hoher Überschussliquidität wird das Marktzinsniveau von dem Zins bestimmt, zu dem Banken ihre überschüssigen Mittel bei der EZB anlegen können. Was zählt ist also der Einlagenzins.

Einlagensatz sinkt um 25 Basispunkte - Lockerung

Für eine Senkung um 25 Basispunkte spricht sowohl die Entwicklung von Inflations- und Wachstumsausblick als auch die Kommunikation von EZB-Ratsmitgliedern. Die seit der vorherigen Ratssitzung im Juli veröffentlichten Wachstumsdaten sind tendenziell enttäuschend gewesen, die Kerninflation zeigte sich etwas hartnäckiger als angenommen. Zugleich sank der Ölpreis und der Euro wertete auf.

Wichtig für diese und mögliche weitere Zinssenkungen scheint zu sein, dass das von der EZB angepeilte Ziel, die Inflation bis Ende 2025 dauerhaft auf 2 Prozent zu senken, erreichbar bleibt. Das muss sich sowohl im Ausblick, also den Projektionen des volkswirtschaftlichen Stabs, als auch in der "unterliegenden Inflation" spiegeln. Insofern werden die von Lagarde vorgestellten aktuellen Stabsprojektionen wichtig sein.

EZB fährt weiter auf Sicht

Wie geht es nach September weiter? Analysten erwarten durchgängig, dass die EZB ihre Datenabhängigkeit betonen, also keine expliziten Hinweise auf den künftigen Zinskurs geben wird. Lagarde dürfte aber hervorheben, dass die EZB bei ihren Entscheidungen möglichst viele Daten berücksichtigen möchte und dass auch die Stabsprojektionen wichtige Informationen enthalten. Die Zeichen stünden dann auf eine nächste Senkung im Dezember. Wenn nichts dazwischenkommt. Den Fahrplan für den Abbau ihrer Anleihebestände dürfte die EZB bestätigen.

US-Inflationsdruck geht im August zurück

Der Inflationsdruck in den USA dürfte im August abgenommen haben. Analysten rechnen laut Factset-Konsens damit, dass die Kernverbraucherpreise (ohne Nahrungsmittel und Energie) gegenüber dem Vormonat um 0,2 Prozent gestiegen sind und nur noch um 2,6 (Juli: 2,9) Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats lagen. Entscheidende Komponenten des Kernverbraucherpreisindex wie Wohnungsmieten und Gebrauchtwagenpreise sind in letzter Zeit langsamer gestiegen oder sogar zurückgekommen. Die Daten werden am Mittwoch (14.30 Uhr) veröffentlicht.

DJG/hab/kla

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