Nachrichten für Außenhandel (NfA)
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Europa: Zollerhöhung für chinesische Autos wohl noch in dieser Woche
Erscheinungsdatum Website: 10.06.2024 16:10:07
Erscheinungsdatum Publikation: 11.06.2024
VDA warnt vor Eskalation / Von Claus-Detlef Grossmann
FRANKFURT (NfA/MBI)--In den Handelsbeziehungen zwischen der EU und China verschärft sich der Ton: In Brüssel wird noch in dieser Woche eine Erhöhung der Zölle auf chinesische Elektroautos erwartet. Die EU-Kommission steht vor einer schwierigen Gratwanderung: Sie will die eigene Autoindustrie vor der fernöstlichen Konkurrenz schützen, zugleich aber einen Handelskrieg mit Beijing vermeiden
Brüssel vermutet, dass Beijing seinen Autobauern übermäßige Subventionen zahlt und ihnen so einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte dazu im September deshalb eine Untersuchung eingeleitet. Die Kommission hat bis zum 4. Juli Zeit, um über die Verhängung von Strafzöllen zu entscheiden. Eine Entscheidung wurde aber bereits kurz nach der EU-Parlamentswahl erwartet
Beobachter gehen davon aus, dass die Kommission die Zölle zunächst von bislang 10 auf 15 bis 30% anhebt. Die Reaktion der EU dürfte damit deutlich weniger drastisch ausfallen als die der USA, die Mitte Mai unter anderem Erhöhungen des Zollsatzes für Elektroautos von 25 auf 100% angekündigt hatten. Kommissionspräsidentin von der Leyen stellte klar, die EU werde ?viel gezielter? als Washington reagieren. Erwartet werden spezifische Zollsätze für die drei untersuchten chinesischen Anbieter BYD, Saic und Geely sowie ein pauschaler Zollsatz für alle anderen Hersteller, die aus China importieren. Unter diesen Zollsatz würden auch deutsche Autobauer fallen, die in der Volksrepublik produzieren. Anbieter wie BYD dürften dadurch nicht vom europäischen Markt verschwinden.
Die chinesischen Marken verkaufen ihre Autos in Europa teils doppelt so teuer wie auf dem Heimatmarkt, wie aus einer Studie der China-Experten der Rhodium-Gruppe hervorgeht. ?Selbst mit einem Zollsatz von 30% würden viele chinesische E-Modelle immer noch einen hohen Gewinnaufschlag in der EU erzielen.?
Deutlich härter dürfte es demnach Firmen wie BMW oder Tesla treffen, die in China gebaute Autos nach Europa exportieren, ohne aber von chinesischen Staatshilfen zu profitieren. Ihr Geschäftsmodell könnten die Zölle nach Einschätzung der Forscher zunichte machen. Auf jeden Fall würden in Europa die Preise für Elektroautos steigen.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) warnt vor einer Eskalation des Handelskonflikts, die insbesondere deutsche Hersteller treffen würde. Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer befürchtet schwere Folgen für deutsche Verbraucher und die Antriebswende, wenn E-Autos noch teurer würden.
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich wiederholt gegen Strafzölle positioniert, Unterstützung bekam er etwa aus Schweden. Insbesondere Frankreich, dessen Autobauer weniger in China vertreten sind, setzt sich für eine härtere Gangart gegenüber Beijing ein. Um von der Kommission festgesetzte Zölle zu kippen, bräuchte es eine Mehrheit aus mindestens 15 Mitgliedsländern, die zusammen mindestens 65% der EU-Bevölkerung ausmachen.