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EZB senkt Leitzinsen erstmals seit 2019

Erscheinungsdatum Website: 07.06.2024 19:00:07
Erscheinungsdatum Publikation: 10.06.2024

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FRANKFURT (Dow Jones)--Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat seine Leitzinsen erstmals seit 2019 gesenkt, aber zunächst keine weitere Lockerung der Geldpolitik in Aussicht gestellt. Wie die EZB mitteilte, sinken die Zinsen um 25 Basispunkte, wodurch der ausschlaggebende Satz für Bankeinlagen bei der EZB auf 3,75 (bisher: 4,00) Prozent fällt. "Auf der Grundlage einer aktualisierten Bewertung der Inflationsaussichten, der Dynamik der zugrunde liegenden Inflation und der Stärke der geldpolitischen Transmission ist es nun angemessen, den Grad der geldpolitischen Restriktion nach neun Monaten unveränderter Zinssätze abzuschwächen", heißt es im Zinsbeschluss.

Die EZB verwiest darauf, dass die Inflation seit der Sitzung des EZB-Rats im September 2023 um mehr als 2,5 Prozentpunkte zurückgegangen sei, und die Inflationsaussichten sich deutlich verbessert hätten. Die zugrunde liegende Inflation habe ebenfalls nachgelassen, was die Anzeichen dafür verstärke, dass der Preisdruck nachgelassen habe. Zudem seien die Inflationserwartungen über alle Zeithorizonte hinweg zurückgegangen. "Gleichzeitig bleibt der inländische Preisdruck trotz der Fortschritte in den vergangenen Quartalen aufgrund des hohen Lohnwachstums stark, und die Inflation wird wahrscheinlich bis weit ins nächste Jahr hinein über dem Zielwert liegen", heißt es weiter.

Der volkswirtschaftliche Stab der Euroraum-Zentralbanken hat seine Prognose für die Entwicklung der Inflation in den Jahren 2024 und 2025 etwas angehoben. Laut EZB-Mitteilung rechnen die Experten für 2024 mit einem Anstieg der Verbraucherpreise um 2,5 (März-Prognose: 2,3) Prozent. Für 2025 und 2026 werden Teuerungsraten von 2,2 (2,0) und 1,9 (1,9) Prozent prognostiziert. Für die Kerninflationsrate werden nun 2,8 (2,6), (2,2) (2,1) und 2,0 (2,0) Prozent erwartet. Die Wirtschaft des Euroraums wird demnach um 0,9 (0,6), 1,4 (1,5) und 1,6 (1,6) Prozent prognostiziert.

Der EZB-Rat ist nach eigener Aussage entschlossen, die Inflation zügig auf ihr mittelfristiges Ziel von 2 Prozent zurückzuführen. "Er wird die Leitzinsen so lange wie nötig restriktiv halten, um dieses Ziel zu erreichen. Der EZB-Rat wird weiterhin einen datenabhängigen und von Sitzung zu Sitzung wechselnden Ansatz verfolgen, um die angemessene Höhe und Dauer der geldpolitischen Restriktion zu bestimmen", heißt es in dem Statement.

Insbesondere würden seine Zinsentscheidungen auf seiner Einschätzung der Inflationsaussichten vor dem Hintergrund der eingehenden Wirtschafts- und Finanzdaten, der Dynamik der zugrunde liegenden Inflation und der Stärke der geldpolitischen Transmission beruhen. "Der EZB-Rat legt sich nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad fest."

Die Guidance zum Kaufprogrammen APP wurde bestätigt, die Bestände sollen moderat und berechenbar sinken. Die Tilgungsbeträge fällig gewordener Anleihen aus dem PEPP-Programm sollen während des ersten Halbjahrs voll wiederangelegt werden. Ab dem zweiten Halbjahr sollen die Bestände im Durchschnitt um monatlich 7,5 Milliarden Euro verringert werden. Ab Ende 2024 gibt es keine Wiederanlage mehr. Danach will die EZB beim Abbau der Anleihebestände in etwa dem beim APP befolgen Muster folgen.

Folgende Beschlüsse wurden im Einzelnen gefasst:

1. Leitzinsen bleiben unverändert

Der Satz für Bankeinlagen bei der EZB fällt auf 3,75 (4,00) Prozent, der Hauptrefinanzierungssatz auf 4,25 (4,50) Prozent und der Spitzenrefinanzierungssatz auf 4,50 (4,75) Prozent.

2. APP-Anleihebestände nehmen moderat ab

Die Tilgungsbeträge fällig werdender Anleihen, die unter dem APP-Programm gekauft wurden, werden nicht wieder angelegt. Dadurch sinken die APP-Anleihebestände langsam und berechenbar.

3. PEPP-Wiederanlage

Die Tilgungsbeträge von fällig gewordener Anleihen, die unter dem PEPP-Programm erworben wurden, werden nur noch während des ersten Halbjahres 2024 voll wieder angelegt. Ab dem zweiten Halbjahr sollen die PEPP-Bestände monatlich im Durchschnitt um 7,5 Milliarden Euro sinken. Dabei will der Rat flexibel vorgehen, um den Risiken für den geldpolitischen Transmissionsmechanismus entgegenzuwirken, die sich im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie ergeben.

4. Refinanzierungsgeschäfte

Der Rat will darauf achten, wie sich die Rückzahlung der langfristigen Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO) durch die Banken auf die geldpolitische Ausrichtung auswirkt.

5. Spread-Kontrolle steht bereit

Der Rat ist bereit, im Notfall und unter bestimmten Voraussetzungen gezielt Anleihen bestimmter Staaten zu kaufen, wenn deren Zinsen die Übertragung der Geldpolitik behindern. Dazu heißt es, es stehe das Transmissionsschutzinstrument (TPI) zur Verfügung, um "einer ungerechtfertigten, ungeordneten Marktdynamik entgegenzuwirken, die eine ernsthafte Bedrohung für die Transmission der Geldpolitik in allen Ländern des Euro-Währungsgebiets" darstelle.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde wird die Entscheidung in einer gegen 14.45 Uhr beginnenden Pressekonferenz erläutern.

DJG/hab/apo/10.06.2024

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