Nachrichten für Außenhandel (NfA)

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"Nachrichten für Außenhandel (NfA)" – die einzige deutschsprachige Tageszeitung für die gesamte Außenwirtschaft bietet einen schnellen und strukturierten Überblick über die wichtigsten Entwicklungen auf den internationalen Wachstumsmärkten.

Die NfA liefert hochwertige und praxisrelevante Hintergrundinformationen, ausführliche Analysen und Bewertungen -  deutlich umfassender als in der Wirtschaftstagespresse. Im Fokus stehen die deutschen Exportbranchen mit Schwerpunkt auf Investitionsgütern

Deutschland: Brücken bauen und gegenseitiges Verständnis durch Dialog stärken

Erscheinungsdatum Website: 05.01.2024 16:10:02
Erscheinungsdatum Publikation: 08.01.2024

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Von Dr. Arnd Nenstiel, Vorsitzender des Ostasiatischen Vereins

HAMBURG (NfA)--?Beobachte, was früher war, dann weißt Du, was kommen wird?, lautet eine chinesische Weisheit. Trifft sie zu, und vieles spricht dafür, so gibt uns das vergangene Jahr mit Blick auf die deutsch-asiatischen Wirtschaftsbeziehungen gleichermaßen Anlass zu Hoffnung und Sorge.

Sicherlich positiv zu bewerten ist, dass die bislang längste Amtsreise von Bundeskanzler Olaf Scholz nicht in die USA oder ein europäisches Nachbarland, sondern in den asiatischen Raum führte.

Dort warb Scholz für mehr wirtschaftliche Kooperation mit Staaten, gerade auch abseits von China: ?Die Asien-Pazifik-Region ist viel mehr als China?, bilanzierte der Kanzler auf der Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft in Singapur. Die Bundesregierung setzt damit das richtige Signal und diversifiziert ihre Handelsbeziehungen in Asien. In der Tat weisen die Volkswirtschaften der Region erhebliches Potenzial auf. Laut einer Studie von PwC wird die Volkswirtschaft Indonesiens im Jahre 2050 die deutsche Wirtschaft überholen. In Indien gibt es bereits heute über 1.600 deutsch-indische Kooperationen und mehr als 600 Joint Ventures, beispielsweise von Bosch, Daimler und Siemens. Tendenz steigend. Und Japan ist trotz geringerer Wachstumszahlen und einer, entgegen der Entwicklung vieler weiterer Staaten in der Region, schwierigen demographischen Entwicklung nach wie vor die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt.

Die Handelsbeziehungen zu diesen Staaten und dem gesamten asiatisch-pazifischen Raum auf eine breitere Basis zu stellen, ist dringend geboten. Denn stehen den beschriebenen positiven Entwicklungen erhebliche Herausforderungen - vor allem im Verhältnis zu China - entgegen, die sowohl wirtschaftlich als auch geostrategisch Anlass zur Sorge geben.

Handel mit Asien-Pazifik-Region besonders stark rückläufig

Wirtschaftlich zeigt sich dies vor allem in der leicht negativen Entwicklung des deutschen Außenhandels im ersten Halbjahr 2023. Bemerkenswert ist dabei der verhältnismäßig starke Rückgang des deutschen Handels mit der Region Asien-Pazifik um 7,3%. Sowohl die Ex- als auch die Importe sanken im ersten Halbjahr ungewohnt stark. Maßgeblich verantwortlich hierfür war der deutliche Rückgang des bilateralen Handels mit China um knapp 14%.

Nicht wirklich bewerten lässt sich, in welchem Umfang diese Zahlen auf konjunkturelle Schwankungen zurückzuführen sind und welchen Anteil strukturelle Schwächen der chinesischen Volkswirtschaft haben. Auf letzteres lassen nicht zuletzt die hohe Jugendarbeitslosigkeit und die Krise des Immobilienmarkts in China schließen.

Und auch politisch stehen die Zeichen eher auf Sturm. Das Verhältnis Europas und der USA zu China ist erheblichen Belastungen ausgesetzt. Es wäre übertrieben, diese Spannungen, wie von einigen Kommentatoren behauptet, als ?neuen kalten Krieg? zu bezeichnen. Doch richtig ist, dass nicht zuletzt der Angriff Russlands auf die Ukraine und der Überfall der Hamas auf Israel bestehende System- und Interessengegensätze eher verschärft hat.

Dies gilt - angesichts des intensiven militärischen Kräftemessens im Indopazifik - nicht nur militärisch, sondern mehr noch auch handelspolitisch. Wenn es tagtäglich einen Austausch von Waren und Dienstleistung im Wert von 2,3 Mrd Euro zwischen der EU und China gibt, so ist dies nur eine Seite der Medaille. Gleichzeitig beläuft sich das Handelsdefizit der Union auf rund 400 Mrd Euro. Die Europäer verlangen, den Handel zwischen beiden Seiten wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Der vermeintlich ?gute und offene Austausch? zwischen der Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen und dem chinesischen Präsidenten Xi Jingpin Anfang Dezember hat die Differenzen nicht wirklich abgebaut.

Vor diesem Hintergrund ist die Arbeit des Ostasiatischen Vereins umso wichtiger: Seit über 120 Jahren verstehen wir uns als Brückenbauer zwischen deutschen Unternehmen und den Volkswirtschaften Asiens sowie Teilen des Pazifikraums. Für uns ist es wichtig, den vertrauensvollen Dialog zwischen relevanten Akteuren aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung, Diplomatie und Wissenschaft sowohl in Deutschland und Europa mit ihren jeweiligen Ansprechpartnern in Asien voranzutreiben. Vertrauen braucht gegenseitiges Verständnis. Dies gilt in besonderem Maße in von Krisen und zunehmendem Protektionismus geprägten Zeiten.

Asien bleibt der weltweite Wachstumsmotor

Trotz pessimistischer Prognosen und globaler Krisen gilt unverändert: Die Asien-Pazifik-Region bleibt der Wachstumsmotor der Welt. Als deutsche Unternehmen auf den Antrieb dieses Motors zu verzichten, ist keine Option. Aktuell ist das aufstrebende Vietnam das einzige Land Südost-Asiens, das mit der Europäischen Union über ein Freihandelsabkommen verbunden ist. Weitere Abkommen dieser Art wären sicherlich wünschenswert, um den Wohlstand beider Seiten zu fördern und über den kontinuierlichen Dialog für gegenseitiges Verständnis und den Abbau von Konflikten zu sorgen.

Deutschland und Europa sind mit den Volkswirtschaften Südostasiens und des Pazifikraums über eine komplexe Partnerschaft verbunden. Im Fokus der Aufmerksamkeit stehen derzeit nachvollziehbarerweise die mit dieser Partnerschaft einhergehenden Konflikte. Nicht vergessen dürfen wir darüber jedoch, dass der Handel mit der Region auch erheblich zu unserem und dem Wohlstand unserer Partner beiträgt. Gerade jetzt ist es deshalb wichtiger denn je, das gegenseitige Verständnis durch offene Gespräche zu vertiefen.

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