Euro Intern

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EZB/Panetta: Inflation nur so schnell wie möglich auf 2% senken

Erscheinungsdatum Website: 04.11.2022 17:41:42
Erscheinungsdatum Publikation: 07.11.2022

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FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) kann nach den Worten von EZB-Direktor Fabio Panetta bei der Inflationsbekämpfung nur im Rahmen ihrer Möglichkeiten erfolgreich sein und sollte eine Überreaktion vermeiden. Panetta sagte bei einer Geldmarktkonferenz laut veröffentlichtem Redetext: "Wir müssen die Inflation so schnell wie möglich auf 2 Prozent senken, aber nicht schneller." Andernfalls drohten unerwünschte Nebenwirkungen, wobei die Inflation kurzfristig nur wenig sinken würde, aber exzessive Finanzmarktschwankungen und langfristig eine anhaltende und unnötige Wachstumsabschwächung folgen könnten. Panetta gilt als eine geldpolitische "Taube" im EZB-Direktorium.

Panetta räumte ein, dass eine geldpolitische Normalisierung notwendig sei, wenn wiederholte Angebotsschocks die Inflation längerfristig in die Höhe trieben. Die Zentralbank signalisiere damit, dass sie eine Lösung der Inflationserwartungen nicht tolerieren werde, wodurch die Wahrscheinlichkeit einer solchen Lösung verringert werde. "Und sie beugt dem Risiko vor, dass die Geldpolitik den Inflationsdruck durch eine Stimulierung der Nachfrage verschärfen könnte", fügte Panetta hinzu.

Kalibrierung der Geldpolitik weniger klar als ihre Richtung

Weniger klar als die Richtung der Geldpolitik ist Panetta zufolge ihre Kalibrierung und ihr "Endpunkt", der von dem sich entwickelnden Wirtschafts- und Inflationsausblick abhänge. Der EZB-Direktor findet das Konzept eines neutralen Zinses, der das Wachstum weder stimuliert noch bremst, weniger nützlich als das eines "Endzinses", der ein Erreichen des Inflationsziels innerhalb des geldpolitisch relevanten Horizonts verspricht.

Tatsächlich berechnet die EZB intern einen solchen Zins ständig, seine Höhe hängt aber vom Ausblick ab, der von diversen Risiken umgeben ist. Ein Szenario ist das einer "hässlichen Inflation", die entsteht, wenn hohe Inflation zu einem Anstieg der Inflationserwartungen sowie einer exzessiven Lohn- und Preisdynamik führt. Panetta zufolge ist das Risiko einer solchen Spirale bisher begrenzt.

Dem stehe der Effekt gegenüber, dass hohe Inflationsraten die Realeinkommen und damit die Nachfrage minderten und wohl ab dem vierten Quartal zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung führen würden. Panetta sprach von einem Zielkonflikt für die EZB, die einerseits die Inflationserwartungen stabilisieren wolle, aber andererseits die Abwärtsrisiken für die Wirtschaft im Auge behalten müsse.

US-Geldpolitik bremst auch die Wirtschaft des Euroraums

Panetta warnte davor, die geldpolitischen Entscheidungen zu sehr von der kurzfristigen Inflation abhängig zu machen, weil diese Entscheidungen erst mit zeitlicher Verzögerung in der Wirtschaft ankämen. Zudem müsse die EZB berücksichtigen, dass auch andere Zentralbanken ihre Geldpolitik strafften. "Eine EZB-Analyse zeigt, dass eine Straffung der US-Geldpolitik auf die reale Wirtschaftstätigkeit und die Inflation im Euroraum ähnlich wirkt wie auf die US-Wirtschaft", sagte der EZB-Direktor.

Panetta warnte zudem vor dem Risiko einer "finanziellen Fragmentierung entlang nationaler Grenzen", die die gleichmäßige Übertragung der Geldpolitik gefährde. Die EZB müsse bei der Anpassung ihrer Instrumente besonders vorsichtig sein. Folgende drei Punkte nannte Panetta:

1. Die EZB sollte vorsichtig kommunizieren und bei der geldpolitischen Normalisierung eine Verstärkung der Marktvolatilität zu vermeiden versuchen. Dass die EZB derzeit ein "Frontloading" betreibe sei verständlich, doch seien überraschend große Zinsschritte kaum hilfreich bei der Verankerung der Inflationserwartungen und könnten zudem als Schritte hin zu einem höheren "Endzins" missverstanden werden.

2. Bevor die EZB mit dem Abbau ihrer Anleihebestände beginnt, sollte sie laut Panetta abwarten, wie die Rückzahlungen von Liquidität aus den TLTRO-Tendern und die Zinserhöhungen auf die Kreditvergabe wirkten. Hier müsse ein plötzlicher Stopp vermieden werden.

3. Die EZB muss für eine gleichmäßige Übertragung ihrer Geldpolitik sorgen. Nützlich findet Panetta in diesem Zusammenhang die Möglichkeit einer flexiblen Wiederanlage der Tilgungsbeträgen aus fällig gewordenen Anleihen, die unter dem PEPP-Programm erworben wurden. Auch habe die Etablierung des Transmission Protection Instrument (TPI) die Nützlichkeit eines glaubwürdigen Bekenntnisses durch die EZB für die Vermeidung höherer Spreads gezeigt.

DJG/hab/jhe/07.11.2022

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