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EZB erhöht Leitzinsen um 50 Basispunkte - Spread-Kontrolle kommt

Erscheinungsdatum Website: 22.07.2022 19:05:31
Erscheinungsdatum Publikation: 25.07.2022

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FRANKFURT (Dow Jones)--Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat überraschend beschlossen, die Leitzinsen um 50 Basispunkte anzuheben. Die erste Zinserhöhung seit elf Jahren fiel damit stärker aus als erwartet. Die von Dow Jones Newswires befragten Analysten hatten einen Zinsschritt von nur 25 Basispunkten erwartet. Zugleich stellte der EZB-Rat eine weitere Normalisierung seiner Zinsen in Aussicht, die von Sitzung zu Sitzung erfolgen werde.

Der Rat beschloss ferner ein Instrument zur Begrenzung der Renditeabstände (Spreads) zwischen Staatsanleihen des Euroraums, das er Transmission Protection Instrument (TPI) nannte. Die Forward Guidance zur Wiederanlage der Tilgungsbeträge fällig gewordener Anleihen, die unter den Kaufprogrammen APP erworben wurden, bestätigte das Gremium. Bestätigt wurde auch der Wiederanlagehorizont für PEPP-Fälligkeiten; die Wiederanlage soll nun der Bekämpfung von Risiken für die ordnungsgemäße Transmission der Geldpolitik dienen.

Folgende Beschlüsse fasste der EZB-Rat im Einzelnen:

1. Zinsen und Zins-Guidance

Der Bankeinlagensatz steigt auf 0,00 (zuvor: minus 0,50) Prozent, der Hauptrefinanzierungssatz auf 0,50 (0,00) Prozent und der Spitzenrefinanzierungssatz auf 0,75 (0,25) Prozent. Der EZB-Rat wich damit von seiner im Juni ausgegebenen Linie ab, den ersten Zinsschritt seit elf Jahren auf 25 Basispunkte zu beschränken. Zur Begründung heißt es im geldpolitischen Statement:

"Dieser Beschluss beruht auf der aktualisierten Einschätzung der Inflationsrisiken durch den EZB-Rat und der verstärkten Unterstützung der wirksamen Transmission der Geldpolitik durch das TPI. Er wird die Rückkehr der Inflation zum mittelfristigen Ziel des EZB-Rats unterstützen, indem er die Verankerung der Inflationserwartungen stärkt und sicherstellt, dass sich die Nachfragebedingungen so anpassen, dass das Inflationsziel mittelfristig erreicht wird.

Der EZB-Rat will die Zinsnormalisierung fortsetzen. Alerdings stellt er für September keinen Schritt von mehr als 25 Basispunkten in Aussicht. Vielmehr heißt es: "Die heutige Vorverlegung (Frontloading) des Ausstiegs aus den Negativzinsen ermöglicht dem EZB-Rat den Übergang zu einem sitzungsbezogenen Ansatz bei den Zinsentscheidungen. Der künftige Leitzinspfad des EZB-Rats wird weiterhin datenabhängig sein."

Im Zusammenhang mit der Normalisierung seiner Politik will der EZB-Rat außerdem Optionen für die Verzinsung von Überschussliquidität prüfen.

2. Spread-Kontrolle

Der EZB-Rat will zwei Instrumente einsetzen, um zu verhindern, dass die Renditeabstände (Spreads) von Euroraum-Staatsanleihen zu weit auseianderlaufen. Dazu will er:

a) Die Tilgungsbeträge von unter dem Pandemiekaufprogramm PEPP erworbenen Anleihen sollen so investiert werden, dass sie Risiken für die Transmission der Geldpolitik entgegenwirken. Nähere Erläuterungen hierzu gibt es keine. Die volle Wiederanlage der Tilgungsbeträge soll mindestens bis Ende 2024 laufen.

b) Gezielt die Bestände an Anleihen finanzschwacher Staaten erhöhen, deren Spreads er für so hoch hält, dass sie die Übertragung des geldpolitischen Signals behindern. Dazu heißt es in dem Statement: "Das TPI wird das Instrumentarium des EZB-Rats ergänzen und kann aktiviert werden, um einer ungerechtfertigten, ungeordneten Marktdynamik entgegenzuwirken, die eine ernsthafte Bedrohung für die Übertragung der Geldpolitik im gesamten Euro-Währungsgebiet darstellt."

Der Umfang der TPI-Käufe hänge von der Schwere der Risiken für die geldpolitische Transmission ab. Die Käufe seien nicht ex ante beschränkt. Durch die Sicherung des Transmissionsmechanismus werde der EZB-Rat via TPI in die Lage versetzt, sein Preisstabilitätsmandat effektiver zu erfüllen. Aussagen zu einer Sterilisierung des Liquiditätseffekt dieser Käufe enthält das Statement nicht. Allerdings wurden für 15.30 Uhr ausführliche Informationen angekündigt.

3. APP-Programm

Die Tilgungsbeträge fälliger Wertpapiere, die unter dem APP-programm erworben wurden, sollen für längere Zeit über den Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung hinaus voll wiederangelegt werden. Dies soll so lange wie nötig geschehen, um für reichlich Liquidität und eine angemessene geldpolitische Ausrichtung zu sorgen.

4. Refinanzierungsbedingungen

Die EZB wird die Refinanzierungsbedingungen der Banken beobachten und dafür sorgen, dass das Fälligwerden von TLTRO3-Geschäften nicht die reibungslose Übertragung der Geldpolitik beeinträchtigt. Sie will zudem regelmäßig prüfen, wie gezielte Kreditoperationen ihre geldpolitische Ausrichtung beeinflussen.

DJG/hab/apo/25.07.2022

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