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Institute senken Prognose wegen Ukraine-Krieg deutlich

Erscheinungsdatum Website: 14.04.2022 18:05:03
Erscheinungsdatum Publikation: 19.04.2022

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BERLIN (Dow Jones)--Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Prognose für das deutsche Wachstum aufgrund des Ukraine-Kriegs deutlich gesenkt. Die Wirtschaft steuert laut den Ökonomen durch schwieriges Fahrwasser und durchläuft die höchsten Inflationsraten seit Jahrzehnten. Die Erholung von der Corona-Krise werde infolge des Kriegs in der Ukraine gedämpft, behalte aber die Oberhand, wie es in dem aktuellen Frühjahrsgutachten heißt.

Die Institute erwarten in einem Basisszenario, das von fortgesetzten russischen Gaslieferungen und keinen weiteren ökonomischen Eskalationen ausgeht, einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 2,7 (Herbstgutachten: 4,8) Prozent im laufenden Jahr und um 3,1 (1,9) Prozent im Jahr 2023.

Bei Gasstopp 2023 Schrumpfung

In einem Alternativszenario, das von einem sofortigen Stopp russischer Gaslieferungen ausgeht, erwarten die Ökonomen 2022 ein BIP-Wachstum von 1,9 Prozent in diesem Jahr und eine Schrumpfung der Wirtschaft um 2,2 Prozent im kommenden Jahr.

"Der Erholungsprozess der deutschen Wirtschaft verzögert sich abermals. Das Konjunkturbild ist geprägt durch gegenläufige konjunkturelle Strömungen, die allesamt preistreibend wirken", erklärte Stefan Kooths, Vizepräsident und Konjunkturchef des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel).

Der Wegfall der Pandemiebeschränkungen sorge auf der einen Seite für konjunkturellen Auftrieb. Dämpfend wirkten aber die Nachwehen der Corona-Krise, weil Lieferketten immer noch unter Stress stünden.

"Die Schockwellen durch den Krieg in der Ukraine belasten die Konjunktur sowohl angebots- wie nachfrageseitig. Schon die staatlichen Hilfspakete während der Pandemie haben preistreibend gewirkt. Die Verteuerung wichtiger Energierohstoffe nach dem russischen Überfall fachen den Preisauftrieb weiter an", erklärte Kooths.

Hohe Teuerungsraten

Demnach dürfte die Inflationsrate 2022 laut Prognose bei 6,1 Prozent und im Folgejahr bei 2,8 Prozent liegen. Im Alternativszenario mit einem sofortigen Gaslieferstopp dürften die Teuerungsraten sogar 7,3 bzw 5,0 Prozent erreichen, heißt es in dem knapp 100 Seiten langen Gutachten mit dem Titel "Von der Pandemie zur Energiekrise - Wirtschaft und Politik im Dauerstress".

Da sich mit Kriegsausbruch die wirtschaftlichen Aussichten eingetrübt und der inflationäre Druck spürbar erhöht haben, stehe die Geldpolitik vor einem Zielkonflikt zwischen Preis- und Produktionsstabilisierung. Dies ähnele der Situation im Zuge der beiden Ölpreisschocks 1973 und 1979.

Die Ökonomen erwarten für 2022 im Durchschnitt einen Anstieg der Erwerbstätigkeit um über 500.000 Personen. Im kommenden Jahr dürfte der Zuwachs aber nur halb so hoch sein. Die Institute erwarten im Basisszenario eine Verringerung der Arbeitslosenzahl in diesem Jahr auf 2,29 Millionen, die dann im nächsten Jahr auf diesem Niveau verharren sollte. Die Arbeitslosenquote dürfte in beiden Jahren bei 5,0 Prozent liegen, nach 5,7 Prozent im Jahr 2021.

Sollte es zu einem Lieferstopp von russischem Gas kommen, dürfte die Arbeitslosenquote nach einem Rückgang auf 5,2 Prozent in diesem Jahr dann auf 6,0 Prozent im Jahr 2023 steigen.

Die öffentlichen Haushalte dürften 2022 ein sinkendes Defizit verzeichnen. Die Institute erwarten ein Defizit von 52,2 Milliarden Euro in diesem Jahr und 27,9 Milliarden in 2023 nach 132,5 Milliarden im vergangenen Jahr. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt dürfte das gesamtstaatliche Budgetdefizit nach den Berechnungen der Institute 2022 auf 1,4 Prozent und 2023 auf 0,7 Prozent zurückgehen. Im vergangenen Jahr lag das Budgetdefizit bei 3,7 Prozent.

Die Gemeinschaftsdiagnose wird erarbeitet vom DIW in Berlin, vom ifo Institut in München, vom IfW in Kiel, vom IWH in Halle und vom RWI in Essen.

DJG/aat/smh/19.04.2022

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