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Elderson: EZB prüft Verhältnismäßigkeit ihrer Politik weitgehend selbst

Erscheinungsdatum Website: 25.03.2022 17:45:02
Erscheinungsdatum Publikation: 28.03.2022

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FRANKFURT (Dow Jones)--EZB-Direktor Frank Elderson hat daran erinnert, dass der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) die Verhältnismäßigkeit seiner geldpolitischen Maßnahmen weitgehend selbst überprüft. In einem Webinar des Institute of International & European Affairs sagte Elderson laut veröffentlichtem Redetext, dass die EZB diese Prüfung entsprechend ihrer neuen geldpolitischen Strategie bei jeder Entscheidung gleich selbst vornehme. Dagegen beschränkten sich Prüfungen durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) darauf, offensichtliche Fehler zu finden.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte kürzlich gesagt, dass die EZB einem zu starken Anstieg der Staatsanleihe-Renditedifferenzen (Spreads) auch mit neuen Instrumenten begegnen würde. Die Nettokäufe unter dem Pandemieprogramm PEPP, die der EZB für diese Zwecke eine gewisse Flexibilität bei Staatsanleihekäufen gegeben hatte, stehen demnächst nicht mehr zur Verfügung. Gegen ein anderes Instrument zur Begrenzung von Spreads, das OMT-Programm, war vor dem Bundesverfassungsgericht Beschwerde erhoben worden - allerdings ohne Erfolg.

EuGH kann nur nach offensichtlichen Fehlern suchen

"Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich der Umfang der Verhältnismäßigkeitsprüfung von Entscheidungsgremien wie dem EZB-Rat von dem Umfang der gerichtlichen Prüfung unterscheidet, die ein Gericht bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen der öffentlichen Hand vornehmen würde", sagte Elderson. Dies habe EuGH-Präsident Koen Lenaerts kürzlich bei einer EZB-Konferenz genau erklärt.

"Er erläuterte, dass der Gerichtshof bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit eine auf offensichtliche Fehler beschränkte gerichtliche Kontrolle anwendet", sagte der EZB-Direktor. Mit diesem Ansatz erkenne der Gerichtshof an, dass Organe wie die EZB innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeiten über einen Beurteilungsspielraum bei technischen Fragen verfügten, die über die Zuständigkeit und das Fachwissen des EuGH hinausgingen.

Lenaerts hatte im November 2021 gesagt: "Geldpolitische Fragen sind normalerweise umstritten. Diese Entscheidungen - ob politisch oder technisch - fallen nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs." Der EuGH hatte die EZB in mehreren Urteilen gegen aus Deutschland erhobene Vorwürfe in Schutz genommen, dass sie europäisches Recht verletze und ihre Kompetenzen überschreite.

EuGH verlangt von EZB ordnungsgemäßes Prüfverfahren

Gleichzeitig verlangt der EuGH Elderson zufolge aber, dass Organe wie die EZB über ein ordnungsgemäßes Verfahren verfügen, das sicherstellt, dass innerhalb des Beurteilungsspielraums alle Faktoren und Umstände berücksichtigt werden, die zum Zeitpunkt einer politischen Entscheidung von Bedeutung sind - einschließlich der Auswirkungen der Maßnahmen auf andere Politikbereiche und des Vorhandenseins von weniger radikalen Mitteln zur Erreichung des festgelegten Ziels.

Der von der EZB angewandte Prüfrahmen besteht nach Aussage des EZB-Direktors aus zwei Elementen - der wirtschaftlichen und der monetären und finanzielle Analyse. "Die wirtschaftliche Analyse konzentriert sich auf die reale und nominale wirtschaftliche Entwicklung, darunter die Aktivität, die Beschäftigung sowie die Preis- und Lohnentwicklung", sagte Elderson.

Die monetäre und finanzielle Analyse untersuche monetäre und finanzielle Indikatoren wie die Kreditvergabe durch Banken und Nichtbanken, Vermögenspreise und Finanzierungsbedingungen. "Der Schwerpunkt liegt hier auf der Beobachtung, wie unsere geldpolitischen Entscheidungen über das Finanzsystem in die Gesamtwirtschaft übertragen werden, und auf der Beurteilung, ob etwaige Beeinträchtigungen dieses Mechanismus unserem Ziel der Preisstabilität schaden könnten", erläuterte der EZB-Direktor.

Das deutsche Bundesverfassungsgericht hatte der EZB in einem umstrittenen Urteil zum Staatsanleihekaufprogramm PSPP (Teil des APP) vorgeworfen, die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme nicht ausreichend nachgewiesen zu haben. Seither betonen EZB-Offizielle immer wieder, dass die EZB auf die "Proportionalität" ihrer Politik achte. Auf diesen Vorgang bezogen sich auch die Aussagen des EuGH-Präsidenten.

DJG/hab/mgo/28.03.2022

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