Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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Schnabel: EZB achtet auf Aufwärtsrisiken für Inflation

Erscheinungsdatum Website: 13.09.2021 16:15:03
Erscheinungsdatum Publikation: 14.09.2021

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FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) will nach den Worten von EZB-Direktorin Isabel Schnabel vermeiden, ihre Geldpolitik wie nach früheren Krisen zu früh zu straffen. Zugleich missachtet die EZB aber Schnabel zufolge auch nicht das Risiko, dass die Inflation schneller als erwartet die Marke von 2 Prozent erreicht. "Drei Entwicklungen erfordern unsere besondere Aufmerksamkeit im aktuellen Umfeld", sagte Schnabel beim Baden-Badener Unternehmergespräch laut veröffentlichtem Redetext.

1. Längerfristige Lieferengpässe

Diese können den Preisdruck erhöhen. Laut Schnabel mehren sich die Anzeichen, dass die derzeitige Rohstoffknappheit und die Störungen der Lieferketten länger anhalten könnten. "Die Produzentenpreise steigen weiter kräftig an - in Deutschland im Juli so kräftig wie seit 1975 nicht mehr -, der globale Engpass an Mikrochips führt zunehmend zu Produktionsausfällen und die Impfquoten in vielen Schwellenländern verharren auf einem Niveau, das die Resilienz der globalen Wertschöpfungsketten bedroht", sagte die EZB-Direktorin. Je länger die Lieferkettenprobleme andauern, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass steigende Kosten von Unternehmen an die Endverbraucher weitergegeben werden.

"In der Tat sehen wir im Moment, dass eine zunehmende Zahl an Unternehmen im Euroraum, und auch in Deutschland, ihre Preise anhebt, und es ist mit weiteren Preissteigerungen in der nahen Zukunft zu rechnen", sagte Schnabel. Diese Risiken beobachte die EZB sorgfältig, nicht zuletzt da sie im Laufe der Pandemie die Inflationsentwicklung zumeist unter- und nicht überschätzt habe.

2. Höherer Wachstumspfad durch Reformen und Strukturwandel

Laut Schnabel besteht das Risiko, dass die von der EZB verwendeten Modelle die weitgreifenden strukturellen Auswirkungen der Pandemie für die Volkswirtschaft nicht angemessen abbilden - vor allem die durch Digitalisierung, den Klimaschutz und "Next Generation EU" - "das größte Fiskalpaket, das je aus dem EU-Haushalt finanziert wurde", wie Schnabel anmerkte.

3. Optimismus steigert Nachfrage

Die an den Finanzmärkten ermittelten Inflationserwartungen sind so hoch wie seit Jahren nicht mehr, und auch die Menschen erwarten laut Schnabel eine kräftigere Preisdynamik, was die zukünftige Lohndynamik verstärken könnte. Außerdem hätten die Menschen in der Krise Ersparnisse gebildet, die um rund 500 Milliarden Euro über die normale Sparquote hinausgingen. "Die private und öffentliche Nachfrage wird auf absehbare Zeit deutlich über dem Durchschnitt der Jahre vor der Pandemie liegen", sagte Schnabel. Es mehrten sich derzeit die Hinweise, dass die derzeitige Ausrichtung der Fiskal- und Geldpolitik den Abschied von den negativen Zinsen schaffen könne.

"Wie schnell das letztendlich geschehen wird, lässt sich aus heutiger Sicht schwer vorhersagen - unsere 'Forward Guidance' stellt sicher, dass wir nicht überhastet auf steigende Inflationsraten reagieren", sagte Schnabel. Sollte die Inflation sich jedoch unerwartet schnell bei 2 Prozent einpendeln, dann werde die EZB ebenso zügig und entschlossen handeln.

DJG/hab/sha

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