Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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EZB/Enria: 40% der Banken berücksichtigen Kreditrisiken nicht ausreichend

Erscheinungsdatum Website: 07.05.2021 18:50:02
Erscheinungsdatum Publikation: 10.05.2021

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FRANKFURT (Dow Jones)--Die von der Europäischen Zentralbank (EZB) direkt beaufsichtigten Großbanken berücksichtigen nach Einschätzung des Chefs der EZB-Bankenaufsicht, Andrea Enria, nicht ausreichend die sich aus der Corona-Krise ergebenden Kreditrisiken. "Wir haben bei den Banken eine Reihe sehr unterschiedlicher Praktiken identifiziert, was die Art der Rückstellungen, die Klassifizierung von Krediten, die Kennzeichnung von Forbearance-Maßnahmen und die operativen Fähigkeiten zur Vorbereitung auf den wahrscheinlichen Anstieg notleidender Kredite angeht", sagte Enria der Nachrichtenagentur Reuters.

Enria fügte hinzu: "Wir sehen, dass die Mehrheit der Banken jetzt weitgehend unsere Erwartungen erfüllt. Dennoch haben etwa zwei von fünf Banken, das heißt 40 Prozent, erhebliche Lücken in Bezug auf unsere Erwartungen." Die EZB hatte kürzlich ihre aufsichtlichen Erwartungen an die Banken für den Umgang mit dem zu erwartenden starken Anstieg notleidender Kredite übermittelt. Kernpunkt ihrer Forderungen ist, dass Banken sich mit ihren Kunden frühzeitig in Verbindung setzen sollen, um Problemkredite zu erkennen und Lösungen für sie zu finden.

Verbesserungsbedarf sie Enria vor allem noch bei der Klassifizierung von Krediten und der Identifikation von Risiken. "Zum Beispiel verlassen sie (die Banken) sich immer noch auf rückwärtsgerichtete Indikatoren für das Kreditrisiko, die im aktuellen Umfeld unzuverlässig sind. Die Banken seien auch nicht in der Lage, Indikatoren zu entwickeln, die die Ausfallwahrscheinlichkeit trotz Moratorien und die Unterstützungsmaßnahmen schätzten. "Verfahren zur Bewertung der Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsunwilligkeit gehören ebenfalls zu den schwächsten Bereichen", so Enria.

Überraschend findet Enria, dass es in einigen Portfolios, insbesondere in denen von Privatkunden und solchen für Wohnbauhypotheken, einen signifikanten Rückgang der Kreditrisikoparameter gibt, besonders bei der Ausfallwahrscheinlichkeit. "Das ist nicht das, was man erwarten würde. Wenn man in eine Rezession gerät, beginnen die Banken typischerweise, die Ausfallwahrscheinlichkeit zu erhöhen", sagte er. Möglicherweise liege das daran, dass der Staat viele Kredite garantiere, dass es massive Steuerpakete gebe und dass die Kunden viel gespart hätten.

Beunruhigend findet der Chef der EZB-Bankenaufsicht, dass viele Kredite direkt von der IFRS-Stufe 1 (performing) in die Stufe 3 (non-performing) wanderten , ohne dass sie zwischendurch in der Klasse 2 (Forebearance) gewesen seien. "Mein Bauchgefühl sagt mir, dass es eine Tendenz zum Abwarten gibt. Die Banken sagen, sie haben nicht genug Informationen, also warten wir einen Monat, dann beginnt vielleicht die Erholung", sagte Enria. Es könnte aber auch Banken geben, die wirklich versuchten, Probleme unter den Teppich zu kehren.

DJG/hab/jhe/10.05.2020

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