Finanz- und Wirtschaftsspiegel

Der Newsletter "Finanz- und Wirtschaftsspiegel" informiert täglich über die Aktivitäten der internationalen Zentralbanken mit Schwerpunkt auf die Europäische Zentralbank, die Federal Reserve und die Bank of Japan.

Gaslobby warnt bei geplanten Wasserstoffnetzen vor Milliarden-Verlusten

Erscheinungsdatum Website: 14.04.2021 15:45:03
Erscheinungsdatum Publikation: 15.04.2021

zurück zur Übersicht

BERLIN (Dow Jones)--Die Gasnetzbetreiber haben scharfe Kritik an den Plänen der Bundesregierung zur Regelung reiner Wasserstoffnetze geübt. Sollte die entsprechende Änderung am Energiewirtschaftsgesetz so umgesetzt werden, drohe ein Wertverlust von 270 Milliarden Euro allein für die Verteilnetze, warnte der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches in einer Vorab-Stellungnahme für die heutige Anhörung im Wirtschaftsausschuss. Hintergrund ist der Plan von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), die zukünftige Wasserstoffinfrastruktur parallel aufzubauen und getrennt von den bestehenden Gasleitungen zu regulieren.

Dieser Ansatz sei "ein Fehler", denn das heutige Erdgasnetz könne Wasserstoff aufnehmen. Zudem seien die Kosten für eine Umrüstung niedrig und klar begrenzt. Der Vorstandsvorsitzende der Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas (FNB), Thomas Gößmann, beklagte, dass Altmaiers Pläne auch nicht die nötige Investitionssicherheit für Netzbetreiber und Netzkunden schafften.

Die Novelle, die Wasserstoff erstmals als eigenen Energieträger definiert, hatte das Kabinett bereits im Februar verabschiedet. Mit dem Entwurf verzichtet der Gesetzgeber zunächst darauf, alle bestehenden oder künftigen Wasserstoffleitungen "zwingend einer Regulierung zu unterwerfen". Damit soll übergangsweise der Markthochlauf gelingen, "bis zukünftige Vorgaben auf europäischer Ebene umzusetzen sind", so der Entwurf. Erst langfristig soll auch eine Beimischung von Wasserstoff in Erdgasnetze möglich sein.

In der Anhörung erklärte der Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), Ingbert Liebing, dass neue Netze ja über Jahrzehnte hinweg halten sollten. "Eine Übergangslösung, die über fünf Jahre gilt, schafft aber eher Verunsicherung und gerade nicht die Planungssicherheit, die wir brauchen." Über 12,8 Millionen Haushaltskunden und 1,7 Millionen mittelständische Industrie- und Gewerbekunden seien an die Gasverteilnetze angeschlossen. Da sei es "betriebs- und volkswirtschaftlich ineffizient, Parallelstrukturen zu errichten".

Die Gasnetzbetreiber hatten bereits für den Netzentwicklungsplan Gas 2020-2030 ein erstes Wasserstoffnetz mit einer Gesamtlänge von 1.200 Kilometer modelliert. Mitte Mai hatte die Bundesnetzagentur allerdings alle Wasserstoff-Projekte abgelehnt, da weiterhin ein rechtlich-regulatorischer Rahmen fehle. Allerdings räumen die Fernleitungsnetzbetreiber selbst ein, dass die Pläne mit Blick auf die Nationale Wasserstoffstrategie bereits "unterdimensioniert" seien. Darin gibt die Bundesregierung das Ziel aus, bis 2030 insgesamt 5 Gigawatt an Elektrolyseurleistung zu erreichen.

Ganz anders bewerten die Ökostromhersteller die Pläne. Der Geschäftsführer des Bundesverbandes Neue Energiewirtschaft (bne), Robert Busch, stellte sich gegen die Gaswirtschaft und begrüßte den Entschluss der Bundesregierung, die Einleitung von Wasserstoff in das Gasnetz nicht voranzutreiben. "Wasserstoff ist zu schade, ihn als Beimischung...irgendwo reinzukippen und verbrennen", sagte Busch in der Anhörung. Sein Verband fordert, Wasserstoff vor allem zur Dekarbonisierung schwerer Industriesektoren einzusetzen, aber für den Wärme- und Transportsektor eher auf eine Elektrifizierung zu setzen. Zudem würde Beimischung eine fossile Infrastruktur perpetuieren, "die wir gar nicht brauchen", erklärte Busch.

Aus Sicht der Maschinen- und Anlagenbauer müsste vor allem die Stellung der Energiespeicher gestärkt werden. Die Definition im Gesetzentwurf unterscheide sich "fundamental" von der in der EU-Binnenmarktrichtlinie, kritisierte der stellvertretende Geschäftsführer des Branchenverbands VDMA, Gerd Krieger. Noch immer gelte damit die Vorstellung, dass die Einspeicherung Strom verbrauche und die Ausspeicherung Strom neu produziere. Damit blieben Speicher Letztverbraucher und müssten im Grundsatz alle Abgaben, Umlagen, Steuern und Netzentgelte für Letztverbraucher entrichten. Notwendig ist aus Sicht des VDMA aber eine konsequente Entlastung von all diesen Belastungen, auch bei Pumpspeichern.

Die Vertreterin von Greenpeace Energy, Carolin Dähling, sprach sich dafür aus, Elektrolyseure in sogenannten netzdienlichen Gebieten mit besonders hoher Erneuerbaren-Produktion und hohem Wasserstoff-Bedarf zu bevorzugen. Konkret sollten derartige geplante Wasserstoff-Produktionsanlagen von den Netzentgelten befreit werden. Dazu brauche es mehr Klarheit im Gesetzentwurf. Greenpeace Energy fordert zudem, neben Stromnetzbetreibern auch Gasnetzbetreibern den Betrieb von Elektrolyseuren und deren Querfinanzierung über Netzentgelte zu untersagen.

DJG/pso/err

zurück zur Übersicht