Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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DIW/Fratzscher: Die EZB wird keine Inflation zulassen

Erscheinungsdatum Website: 19.01.2021 17:00:03
Erscheinungsdatum Publikation: 20.01.2021

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FRANKFURT (Dow Jones)--Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, ist nicht besorgt, dass die anhaltend akkommodierende Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) zu einem starken Inflationsanstieg führen wird. In einer Veranstaltung des Internationalen Clubs Frankfurter Wirtschaftsjournalisten (ICFW) prognostizierte Fratzscher zudem eine weitere Lockerung der Geldpolitik und warnte vor zu viel Optimismus im Hinblick auf die Konjunkturentwicklung im laufenden Jahr.

"Aus realwirtschaftlicher Sicht wäre ein bisschen Inflation ganz schön, aber ich glaube, dass die EZB jedem einen Strich durch die Rechnung machen wird, der damit rechnet, dass da mal für ein paar Jahre die Inflation bei 4 bis 5 Prozent liegt", sagte Fratzscher und fügte hinzu: "Ich glaube, das wird die EZB nicht machen, sie hat ein klares Mandat." Er mache sich eher Sorgen, dass es zu einer Deflationsspirale kommen könnte. "Das ist im Augenblick auch nicht sehr wahrscheinlich, aber das ist für eine Zentralbank viel schwieriger zu bekämpfen", sagte Fratzscher.

Die breite Geldmenge M3 ist zuletzt im Zuge der milliardenschweren Anleihekäufe der EZB mit zweistelligen Jahresraten gewachsen, was zuletzt vor zwölf Jahren, vor Beginn der Finanzkrise der Fall war. Manche Ökonomen befürchten, dass das längerfristig zu höherer Inflation führen muss. Der DIW-Präsident sagte dazu: "Inflation würde dann entstehen, wenn diese massive Liquidität, ihren Weg in die Realwirtschaft findet, über Kreditvergabe an Unternehmen, über Unternehmensinvestitionen, und wenn die privaten Haushalte auf einmal anfangen zu konsumieren, als gäbe es kein Morgen."

"Jede moderne Zentralbank kann Überschussliquidität binnen Stunden einsammeln"

Inflation würde dann aber auch nur in dem Fall entstehen, dass die EZB nicht schnell genug reagiert, und daran glaubt Fratzscher nicht. "Jede moderne Zentralbank heute kann solche Überschussliquidität nicht nur innerhalb von Tagen, sondern innerhalb von Minuten oder Stunden einsammeln - über Reverse Repos und andere Instrumente", sagte er.

Fratzscher geht davon aus, dass die EZB ihre Geldpolitik weiter lockern wird und hat dabei drei Instrumente besonders im Blick: Eine Verlängerung des Pandemiekaufprogramms PEPP, eine Anpassung der Forward Guidance zu Beeinflussung der langfristigen Zinsen und attraktivere Konditionen bei TLTRO-Langfristtendern für Banken, die Kredite besonders an kleinere und mittelgroße Unternehmen vergeben.

Die Notwendigkeit weiterer geldpolitischer Maßnahmen könnte sich Fratzscher zufolge aus einem ungünstigen Verlauf der Pandemie ergeben. Es sei keine ganz abwegige Annahme, dass die Erholung erst mit der Herstellung der so genannten Herdenimmunität voll einsetzen werde, also im dritten Quartal. "Ich glaube, wir unterschätzen die wirtschaftlichen Risiken der zweiten Welle massivst", sagte er.

Nach der Pandemie entscheidet der Markt über das Überleben von Firmen

Laut Fratzscher sind viele Unternehmen, vor allem kleinere, nicht mehr so widerstandsfähig wie in der ersten Welle, sie haben keine Rücklagen mehr und sind überschuldet. Er halte es "für richtig, dass der Staat breit hilft, zumal die Unternehmen, die jetzt in Gefahr geraten, häufig nicht die Unternehmen sind, die nicht überlebensfähig sind", sagte Fratzscher. "Deshalb ist es wichtig, dass der Staat relativ neutral und massiv sagt, jetzt helfen wir erstmal allen, soweit es geht, und nach der Pandemie soll der Markt lösen, welche Unternehmen es überleben und welche nicht."

DJG/hab/jhe

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