Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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Sozialpartner fordern nach Arbeitsmarktdaten Verlängerung von Kurzarbeit

Erscheinungsdatum Website: 01.07.2020 17:10:02
Erscheinungsdatum Publikation: 02.07.2020

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BERLIN (Dow Jones)--Unternehmer und Gewerkschaften haben in Reaktion auf die jüngsten Arbeitsmarktzahlen eine schnelle Verlängerung der Sonderregelungen zur Kurzarbeit angemahnt. Eine Verlängerung der Kurzarbeit sei "sinnvoll und dringend notwendig", betonte der Chefvolkswirt des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Ralph Wiechers. "Auch wenn es hier und da Licht am Ende des Tunnels gibt - der Tunnel ist lang." Mehr als die Hälfte der Maschinenbauunternehmen erwarte eine Rückkehr zum Vor-Corona-Umsatzniveau nicht vor 2022.

Zudem brauche es Zeit, bis die Anstrengungen zur Bewältigung des vielfältigen Strukturwandels neues Wachstum und sichere Arbeitsplätze brächten "Eine Verlängerung der Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes wäre deshalb nicht nur sinnvoll, sondern dringend notwendig", betonte Wiechers. "Die Entscheidung für die Verlängerung muss aber bald fallen." Die Betriebe brauchten Planungssicherheit, damit aus Kurzarbeit nicht schon bald Arbeitslosigkeit werde.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte dies ebenfalls. "Mit dem Instrument Kurzarbeit wurde am Arbeitsmarkt in den letzten Monaten das Schlimmste verhindert, die Arbeitslosigkeit bleibt auf einem niedrigeren Niveau als befürchtet", sagte DGB-Vorständin Anja Piel. "Die Koalition muss aber am Ball bleiben. Beschäftigte und Unternehmen brauchen jetzt Sicherheit darüber, dass das Kurzarbeitergeld verlängert wird und sie finanziell abgesichert sind." Große Teile der Wirtschaft würden trotz Lockerungen auch in den kommenden Monaten und nächstes Jahr noch an den Folgen der Pandemie leiden. Die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes solle mit Weiterbildung verbunden werden.

Arbeitslosenzahl steigt im Juni um 69.000

Die Arbeitslosenzahl ist von Mai auf Juni infolge der Corona-Krise deutlich gestiegen, der Arbeitsmarkt entwickelte sich aber günstiger als noch im Vormonat und von Experten erwartet. Wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) bekanntgab, erhöhte sich die Arbeitslosenzahl bereinigt um saisonale Einflüsse gegenüber Mai um 69.000 Personen. Damit sind nun 2,853 Millionen Menschen ohne Beschäftigung.

Die von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte hatten eine Zunahme um 120.000 Personen erwartet. Im Mai hatte sich die Zahl der Arbeitslosen saisonbereinigt in revidierter Rechnung um 237.000 erhöht. Ursprünglich hatte die BA einen Anstieg um 238.000 ausgewiesen. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich im Juni auf 6,4 Prozent von 6,3 Prozent, was unter den Erwartungen der Experten lag. Sie hatten mit einer Zunahme auf 6,6 Prozent gerechnet. Gegenüber dem Vorjahr waren 637.000 Menschen mehr arbeitslos gemeldet.

"Der Arbeitsmarkt ist wegen der Corona-Pandemie weiterhin unter Druck" sagte der BA-Vorstandsvorsitzende Detlef Scheele. "Der massive Einsatz von Kurzarbeit stabilisiert aber den Arbeitsmarkt."

Ökonomen sehen Höhepunkt nicht erreicht

Volkswirte reagierten aber zurückhaltend auf die Zahlen. Der weitere Anstieg der Arbeitslosen im Juni sei zwar deutlich spürbar, falle aber vergleichsweise moderat aus, konstatierte der Chefvolkswirt von Union Investment, Jörg Zeuner. "Der Höhepunkt der Krise auf dem Arbeitsmarkt ist aber noch nicht erreicht", warnte er. "Diesen werden wir erst in den kommenden Monaten sehen." Zeuner erwartete einen Höchststand der Arbeitslosenquote von 6,5 bis 7 Prozent, was etwa 3 Millionen Arbeitssuchenden entspreche.

Die Chefvolkswirtin der KfW, Fritzi Köhler-Geib, erklärte, in allen Wirtschaftsbereichen habe sich das Geschäftsklima seit dem Ende des Lockdowns von einer sehr tiefen Basis deutlich verbessert. "Die Zahl der Arbeitslosen dürfte in den nächsten Monaten dennoch weiter steigen, denn es wird weitere Entlassungen geben und die Unternehmen stellen weniger ein." Es komme in den kommenden Monaten darauf an, dafür zu sorgen, dass sich die Arbeitslosigkeit nicht verfestige und zu bleibenden Nachteilen führe.

"Der leichte Anstieg der Arbeitslosenquote täuscht über die schwierige Situation am deutschen Arbeitsmarkt hinweg", meinte auch der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. "Die Kurzarbeit überdeckt die angespannte Situation." Wenngleich das Wiederanfahren der Wirtschaft derzeit den Druck etwas lindere, könne "von rosigen Beschäftigungsaussichten keine Rede sein". Kurzarbeit werde weiterhin ein wichtiger Bestandteil des Krisenmanagements bleiben müssen. Dem deutschen Arbeitsmarkt stünden in den kommenden Monaten noch schwierige Zeiten bevor.

DJG/ank/jhe

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