Euro Intern

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BMF und EZB erwarten keine baldiges digitales Zentralbankgeld

Erscheinungsdatum Website: 19.06.2020 17:40:02
Erscheinungsdatum Publikation: 22.06.2020

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BERLIN (Dow Jones)--Das Bundesfinanzministerium und die Europäische Zentralbank erwarten die Einführung eines digitalen Zentralbankgeldes frühestens in vier bis fünf Jahren. Nicht alle sähen die Notwendigkeit für einen programmierten Euro, erklärte Jörg Kukies, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen auf einer Diskussionsrunde des Bankenverbands.

Auch Ulrich Bindseil, Generaldirektor Market Operations der EZB, glaubt, dass es nach einem Beschluss zur Einführung mindestens noch vier bis fünf Jahre dauern würde, bis die Währung eingeführt werden könnte.

Angesichts der extremen Bedeutung und Fragestellung, die beantwortet werden müssten, um so ein Projekt zuverlässig und ohne systemische Risiken auszulösen, wäre es keine Überraschung, wenn es 4 oder 5 Jahre dauern würde bis zur Einführung eines digitalen Zentralbankgeldes, sagte Kukies. "Ich glaube, das ist realistisch, es wäre ja eine sehr sehr fundamentale Änderung unseres monetären Systems. Und es ist natürlich auch eine Frage, die politisch noch gar nicht diskutiert und entschieden ist. Die würde sicher auch eine gewisse Form an Einstimmigkeit der Währungsunion verlangen", so Kukies. "Wir haben zahlreiche Vertreter von Zentralbanken, die grundsätzlich immer noch sagen: das brauchen wir nicht. Wir haben zahlreiche Vertreter in der Politik, die sagen: es gibt gar keinen Bedarf danach, digitales Zentralbankgeld zu haben." Diese gesellschaftliche Debatte sei aber noch gar nicht geführt worden.

Commerzbank fordert konkreten Aktionsplan von der Politik

Vertreter von Privatbanken und der Industrie drängen jedoch zu mehr Tempo, denn in anderen Ländern werden digitale Währungen schneller vorangetrieben. Besonders in den Facebook-Plänen für eine Digitalwährung Libra sehen sie die europäischen Zahlungsdienstleister unter Druck.

"Ich glaube tatsächlich, dass Libra sehr bald ein Standard für einen programmierbaren Euro setzen könnte und damit quasi die Chance des deutschen und europäischen Bankensektors, selbst diesen Standard vorzugeben, deutlich geringer würde oder zumindest mal in die Ferne rücken würde", erklärte Carsten Bittner, Technischer Direktor und Bereichsvorstand der Commerzbank AG.

"Noch ist es nicht zu spät, ich bin da optimistisch aufgestellt. Aber dann müssten wir tatsächlich uns auch darauf fokussieren, einen konkreten Aktionsplan unter koordinierender Mitwirkung der Politik zu erarbeiten, der nicht nur Chancen und Risiken beinhaltet sondern konkrete Schritte."

EZB sieht Industrie bei Retail Payments in der Pflicht

Bindseil betonte hingegen, dass die EZB bereit sei für einen Dialog und die Mitarbeit in Arbeitsgruppen. Aber man sollte "nicht alles" in das digitale Zentralbankgeld projizieren.

"Die europäische Industrie verliert Marktanteile im Bereich Retail Payments seit vielen Jahren, da ist Libra noch nicht mal aktiv", so Bindseil mit Verweis auf amerikanische Kreditkartenzahlungen, Apple Pay, Amazon Pay und PayPal.

"Es gibt aktuell eine Debatte über eine europäische Retail Payment Solution ...wo es einen Unterschied machen könnte, wenn die europäische Industrie endlich mal zusammenfindet und hier den Kunden etwas vorsetzt, was so gut zu nutzen ist, was ausländische Firmen sehr erfolgreich am Markt platziert haben", so Bindseil. Deshalb rate er dem Privatsektor dazu, die unmittelbaren Fragen anzugehen, "wo auch sehr viel für europäische Souveränität im Bereich Zahlungssouveränität erreicht werden könnte."

DJG/aat/jhe/22.06.2020

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