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Commerzbank zweifelt Verhältnismäßigkeit von EZB-Staatsanleihekäufen an

Erscheinungsdatum Website: 29.05.2020 19:05:02
Erscheinungsdatum Publikation: 02.06.2020

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FRANKFURT (Dow Jones)--Die Commerzbank bezweifelt, dass es der Europäischen Zentralbank (EZB) gelingen würde, die Verhältnismäßigkeit ihrer Staatsanleihekäufe im Rahmen des PSPP-Programms klar nachzuweisen. Einen solchen Verhältnismäßigkeitsnachweis hatte Anfang des Monats das Bundesverfassungsgericht gefordert. Analyst Michael Schubert weist auf verschiedenen Studien - zum Teil von der EZB selbst - hin, die eine nur mäßige Inflationswirksamkeit des PSPP bei zugleich deutlichen negativen Nebenwirkungen zutage gefördert hätten.

Laut Schubert hielten sich die inflationstreibenden Effekte nach diesen Untersuchungen sehr in Grenzen. "So wäre nach den Schätzungen der EZB die Inflationsrate auch ohne die Anleihekäufe von etwa 0 Prozent im Jahr 2016 auf Werte merklich über 1 Prozent in den Folgejahren gestiegen", schreibt Schubert. 2017 hätte die Rate ohne Anleihekäufe statt 1,5 Prozent 1,3 Prozent betragen und 2018 1,6 Prozent statt 1,8 Prozent. "Da hier die Wirkung aller Anleihekäufe insgesamt geschätzt wurde, dürfte die Wirkung des PSPP sogar noch etwas darunter liegen", so Schubert.

Tatsächlich stammen diese Zahlen aus einer Studie, die EZB-Chefvolkswirt Philip Lane in jüngster Zeit wiederholt zitierte. Bei Schubert klingen sie nur nicht nach einem Erfolg. Bestätigt fühlt sich der Commerzbank-Volkswirt in seiner skeptischen Beurteilung der Wirksamkeit des PSPP von einer aktuellen Studie der Deutschen Bundesbank.

Derzufolge sind die Auswirkungen von Staats- und Unternehmensanleihekäufen für die Inflation im Allgemeinen schwächer als die für das Wirtschaftswachstum, und ab 2017 gibt es demnach kaum Anzeichen für positive Inflationseffekte. "Einen statistisch signifikanten Effekt konnten die Autoren lediglich für das Jahr 2015 und nur für Deutschland und Spanien nachweisen", schreibt Schubert. Soweit zur Wirksamkeit.

Eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit bedeutet, dass Nutzen und Kosten gegeneinander abgewogen werden. Die Kosten sind in diesem Falle die unbeabsichtigten Nebenwirkungen des Programms.

Schubert verweist zunächst auf die Aussage von EZB-Direktorin Isabel Schnabel, dass die Risiken für die Finanzstabilität sehr ernst zu nehmen seien. Dabei bezog sie sich allerdings auf die gesamte Geldpolitik, nicht alleine die Staatsanleihekäufe. Diese Gefahr sei "sehr ernst zu nehmen". Denn es sei gerade ein Ziel der gegenwärtigen Geldpolitik, die Risikobereitschaft von Investoren wiederzubeleben, um damit Wachstum und Investitionen zu fördern, sagte Schnabel.

Gleichzeitig wies sie aber die Verantwortung für die Eindämmung dieser Risiken in bewährter EZB-Tradition den nationalen Behörden zu, die dagegen "makroprudenzielle Instrumente" einzusetzen hätten.

Als weitere Nebenwirkung führt Schubert die viel diskutierte Gefahr an, dass eine über längere Zeit lockere Geldpolitik die Entstehung so genannter Zombie-Firmen begünstigt. Das sind Unternehmen, die nur dank des von der EZB gesenkten Zinsniveaus überleben. Die Aussagen der EZB hierzu sind nicht eindeutig. In einer jüngeren Studie sieht sie als Ursache solcher Firmen vor allem schwache Banken, weil diese dazu tendierten, schwachen Unternehmen Kredite zu geben.

EZB-Direktor Yves Mersch hatte 2017 allerdings gesagt, dass sich dank einer lockeren Geldpolitik ineffiziente Firmen über Wasser halten könnten. Wirtschaftliche Abschwünge könnten weniger leicht eine produktivitätssteigernde "schöpferische Zerstörung" herbeiführen, in der ineffiziente Firmen verdrängt und somit Ressourcen frei werden, die dann in effizienteren Unternehmen zur Steigerung der Gesamtproduktivität beitragen.

Den Vorwurf der Enteignung von Sparern wies Schnabel dagegen rundheraus zurück, und auch die Bundesbank hat dies in der Vergangenheit wiederholt getan.

Schuberts Fazit: Insgesamt bleiben selbst auf der Grundlage von Studien der EZB Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Anleihenkäufe.

DJG/hab/smh/02.06.2020

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