Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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EZB: Corona-Pandemie erhöht Risiken für Finanzstabilität

Erscheinungsdatum Website: 26.05.2020 21:30:03
Erscheinungsdatum Publikation: 27.05.2020

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FRANKFURT (Dow Jones)--Die Corona-Pandemie erhöht nach Aussage der Europäischen Zentralbank die Risiken für die Finanzstabilität im Euroraum. In ihrem aktuellen Finanzstabilitätsbericht hebt die EZB ungünstigere Finanzierungsbedingungen und schlecht funktionierende Finanzmarktsegmente, eine steigende Staatsverschuldung, eine eingeschränkte Fähigkeit der Banken zur Kreditvergabe und schwache Bankgewinne sowie eine Verstärkung von Marktentwicklungen durch Nicht-Banken als Schwachstellen hervor.

"Die Auswirkungen der Pandemie für die Gewinnaussichten der Banken und die Staatsfinanzen auf mittlere Sicht müssen angegangen werden, damit unser Finanzsystem weiterhin die Konjunkturerholung unterstützen kann", schreibt EZB-Vizepräsident Luis de Guindos in dem Bericht.

EZB verhinderte mit Anleihekäufen Schlimmeres

Laut dem Bericht haben die EZB mit ihren Anleihekäufen und die Regierungen mit ihren Ausgabenprogrammen bisher Schlimmeres verhindert. Hervorgehoben wird in dem Bericht die destabilisierende Rolle, die Investmentfonds auf dem Höhepunkt der Marktturbulenzen gespielt haben, als sie zu Notverkäufen gezwungen waren, um Mittelabzüge zu finanzieren. Hier hätten erst die Käufe der EZB Abhilfe geschaffen. "Aber ein weiterer Rückgang von Asset-Preisen oder ein starker Anstieg der Volatilität könnten erneut Abflüsse aus Fonds auslösen", warnt die EZB.

Trotz staatlicher Hilfsmaßnahmen könnten hoch verschuldete Unternehmen immer noch in größere Schwierigkeiten bekommen. Die Kehrseite staatlicher Hilfsprogramme ist der zu erwartende Anstieg der öffentlichen Schuldenstände, der laut EZB "eine Neubewertung der Staatsschuldenrisiken durch Marktteilnehmer auslösen und finanzschwächere Staaten unter Druck setzen" könnte.

Eigenkapitalverzinsung der Banken dürfte 2020 weiter sinken

Die EZB erwartet, dass die Eigenkapitalverzinsung der Banken des Euroraums 2020 deutlich geringer als vor der Pandemie sein wird. Sie geht davon aus, dass der von ihr verfügte Stop von Dividendenzahlungen und Aktienrückkäufen so lange andern wird, bis die Konjunkturerholung Fuß gefasst hat. In ihrem Bericht warnt die EZB, dass es im Falle enttäuschender Konjunkturdaten zu weiteren Korrekturen bei bestimmten Asset-Preisen kommen könnte.

"Die Einnahmen aus Neugeschäft dürften sinken und gleichzeitig dürften die Kreditverluste zunehmen, weil es immer häufiger zu Zahlungsausfällen und Unternehmensinsolvenzen kommt", analysiert die EZB. Besonders anfällig seien in diesem Umfeld Banken, die schon im Vorfeld der Corona-Pandemie wenig Geld verdient hätten und heute stark in coronasensitiven Bereichen exponiert seien.

In einem Szenario mit einem Rückgang der Unternehmens-Cashflows um 50 Prozent für drei Monate würden laut EZB rund 3 Prozent aller ausstehenden Unternehmenskredite im Euroraum notleidend werden. Überdurchschnittlich betroffen wären Italien und Spanien.

"Nicht-lineare" Effekte bei Verlusten von BBB-Ratings

Die EZB weist zudem auf das Risiko hin, dass die Ratings hoch verschuldeter Unternehmen herabgestuft werden könnten, und dass es bei einem massenhaften Verlust von BBB-Ratings zu "nicht-linearen Effekten" kommen könnte.

Zunehmende Risiken für die Finanzstabilität sieht die EZB im Immobiliensektor. "Das Risiko von Preiskorrekturen bei Wohn- und Gewerbeimmobilien nimmt zu, besonders in Ländern mit "überdehnten" Preisen", schreibt sie. Bei Gewerbeimmobilien könne es wegen Corona sogar zu strukturellen Veränderungen kommen.

DJG/hab/kla

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