Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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Bundeskabinett beschließt Einführung einer Grundrente

Erscheinungsdatum Website: 19.02.2020 16:25:02
Erscheinungsdatum Publikation: 20.02.2020

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BERLIN (Dow Jones)--Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den Gesetzesentwurf zur Einführung einer Grundrente auf den Weg gebracht. Nach jahrelangen Verhandlungen über die Einführung einer höheren Alterssicherung für Niedrigverdiener sollen ab dem kommenden Jahr rund 1,3 Millionen Rentnern von höheren Bezügen profitieren. Die Kosten werden mit 1,4 Milliarden Euro für das Jahr 2021 veranschlagt und aus Steuermitteln finanziert. Der Bundeszuschuss wird dann in den kommenden Jahren auf 1,6 Milliarden steigen.

Besonders Frauen, die häufiger im Niedriglohnsektor tätig sind und lange Erziehungszeiten haben, werden wegen der neuen Regelungen einen finanziellen Vorteil haben. "Das ist ein großer sozialpolitischer Meilenstein, die größte Sozialreform wahrscheinlich dieser Legislaturperiode", sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in Berlin.

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte Heil, dass mit der Grundrente "Deutschland ein Stück gerechter" werden würde. Die drei Minister sehen in dem Projekt ein Beweis für die Geschlossenheit der Koalition.

Auch für Spahn stellt der Gesetzesentwurf zur Grundrente einen guten Kompromiss dar. "Wir wollen Menschen helfen, die, obwohl in ihrem Leben lange gearbeitet, kleine Renten haben", so Spahn. Gleichzeitig wolle die Koalition zielgerecht vorgehen und "verantwortungsvoll mit begrenzten Steuermitteln umgehen".

Heil hat keinen Zweifel an der Finanztransaktionssteuer

Nach dem erzielten Kompromiss sollen Rentner, die 33 Jahre Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben, ab 2021 eine Rente über Grundsicherungsniveau empfangen, was aktuell bei vielen Geringverdienern nicht der Fall ist. Bei 35 Jahren soll der Zuschlag die volle Höhe erreichen. Die Grundrente soll nach einer Einkommensprüfung, nicht aber nach einer Vermögensprüfung gezahlt werden.

Maximal kann die Grundrente bei 404,86 Euro liegen. Der Aufschlag fällt geringer aus, wenn das Monatseinkommen von Rentnern über 1.250 Euro bei Alleinstehenden und 1.950 Euro bei Paaren liegt.

Unklar ist allerdings noch die Finanzierung der Grundrente. Ursprünglich war geplant, die Kosten durch Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer zu decken. Allerdings gibt es keine Fortschritte bei der geplanten Einführung einer solchen Steuer auf europäischer Ebene. Nach Angaben von Heil habe Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) ihm versichert, dass man auf einem guten Weg sei. Daher habe er "keinen Zweifel daran, dass wir das hinkriegen" und insofern stelle er auch "keine Überlegungen über einen Plan B" an.

BDA sieht in Grundrente keinen Beitrag gegen Altersarmut

Von Arbeitgeberseite wurde an dem Beschluss Kritik geübt. Aus Sicht der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BGA) verfolge er keine generationengerechte und zukunftsfähige Rentenpolitik. "Der Grundrenten-Beschluss sorgt für gravierende Ungerechtigkeiten und leistet keinen zielgenauen Beitrag gegen Altersarmut", monierte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer vor dem Beschluss im Kabinett.

Die große Koalition verwische die Grenze zwischen beitragsfinanzierter Rente und bedürfnisorientierter Grundsicherung. "Der Grundsatz, wer mehr einzahlt, erhält auch mehr Leistung, gilt dann nicht mehr. Das wird der Akzeptanz der Rentenversicherung schaden", so Kramer.

Ähnlich kritisch sieht es das Münchner Ifo Institut. "Die besonders bedürftigen Personen, nämlich jene mit weniger als 33 Beitragsjahren oder langen Zeiten an Arbeitslosigkeit, haben weiterhin keinen Anspruch auf Grundrente", erklärte Ifo-Ökonom Joachim Ragnitz. Hier hätte es bessere Lösungen gegeben, wie die Einführung eines prozentualen Freibetrags bei der Grundsicherung im Alter." Auch entferne sich die Organisation der Alterssicherung in Deutschland immer mehr von dem Grundgedanken einer Versicherung und würde mehr und mehr zu einem Instrument der Sozialpolitik umgebaut.

Beanstandet wurde in den vergangen Monaten auch der bürokratische Aufwand für die Einkommensprüfung der potentiellen Grundrenteempfänger. Zwar soll die Grundrente ohne Einreichung eines Antrags automatisch ausgezahlt werden. Aber zahlreiche Mitarbeiter der Deutschen Rentenversicherung müssen bei Bestandsrentnern überprüfen, ob sie Ansprüche haben.

"Vor diesem Hintergrund sieht die Rentenversicherung auch den vorgesehenen Zeitplan für die Umsetzung der Grundrente sehr kritisch", erklärte die Deutsche Rentenversicherung Bund in einer Stellungnahme.

Heil räumte ein, dass der Informationsaustausch zwischen Finanzverwaltung und der Rentenversicherung ein "Riesenkraftakt" sei. Die Bundesregierung peile an, dass das System bis zum 1. Januar 2021 funktioniert, damit die Grundrente dann pünktlich starten könne. Dem Gesetzesentwurf muss nun noch im Bundestag zugestimmt werden. Dort haben die Regierungsparteien CDU, CSU und SPD allerdings eine breite Mehrheit.

DJG/aat/jhe

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