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US-Repräsentantenhaus beschließt Sanktionen wegen Nord Stream 2

Erscheinungsdatum Website: 12.12.2019 14:40:02
Erscheinungsdatum Publikation: 13.12.2019

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WASHINGTON (AFP/Dow Jones)--Das US-Repräsentantenhaus hat Sanktionen gegen an dem Pipeline-Projekt Nord Stream 2 beteiligte Firmen und Einzelpersonen auf den Weg gebracht. Die geplanten Strafmaßnahmen wurden von der Kongresskammer als Teil eines breit angelegten Gesetzentwurfs zum Verteidigungsetat verabschiedet. Das Gesetz muss nun noch vom Senat gebilligt werden, anschließend wird es Präsident Donald Trump zur Unterzeichnung vorgelegt.

Dass Trump die Sanktionen in Kraft setzen will, kann als sicher gelten. Der US-Präsident ist ein vehementer Kritiker der Pipeline, die Gas direkt durch die Ostsee von Russland nach Deutschland befördern soll. Er wirft Deutschland vor, sich dadurch in Abhängigkeit von russischem Gas zu begeben. Wegen des Projekts hatte Trump in der Vergangenheit mit Sanktionen gedroht.

Das Nord-Stream-Konsortium wird vom russischen Gazprom-Konzern angeführt, der die Hälfte der Finanzierung des 9,5-Mrd-Euro-Projekts aufbringt. Zu den Beteiligten gehören die deutschen Unternehmen Uniper und Wintershall. Die Pipeline soll im kommenden Jahr in Betrieb gehen.

Die Bundesregierung hat mit Kritik auf die Sanktionsabstimmung reagiert. "Unsere Haltung zu extraterritorialen Sanktionen ist klar: Wir lehnen diese ab", teilte das Wirtschaftsministerium von Peter Altmaier mit. Zugleich verwies das Ministerium darauf, dass eine Abstimmung im Senat in Washington noch nicht stattgefunden habe. Wie der US-Senat sich verhalten werde, werde nun "genau" beobachtet werden.

Der Energieversorger Uniper hat trotz drohender Sanktionen seine Unterstützung für das Projekt bekräftigt. "Wir haben mit Bedauern zur Kenntnis genommen, dass der Gesetzesentwurf im US-Repräsentantenhaus eine Mehrheit gefunden hat", sagte Uniper-Vorstand David Bryson zu "Dow Jones Newswires". Es bleibe nun abzuwarten, wie sich der Senat dazu verhält. "Angesichts dieser aktuellen Entwicklung steht Uniper als einer der Finanziers des Projektes in Kontakt mit Nord Stream 2 und auch mit den relevanten Stellen der Bundesregierung", so der Chief Operating Officer.

Uniper sieht das Gasprojekt auch für die Versorgungssicherheit in Europa als wichtig. Es gebe zurückgehende Quellen in Europa, aber einen steigenden Bedarf, so Bryson. "Wir sind überzeugt, dass Erdgas als sauberster fossiler Brennstoff auch eine Lösung für die Klimaschutzziele und die Senkung der CO2-Emissionen sein kann. Deshalb engagieren wir uns sowohl bei Pipelines als auch im LNG-Geschäft." Zuletzt hatte Uniper immer betont, an seinen vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Nord Stream 2 festzuhalten.

Die Sanktionen richten sich gegen die Verlegeschiffe, die die Rohre für den Bau von Nord Stream 2 bereitstellen sollen. Diese Schiffe stellt die Schweizer Allseas-Gruppe, die aber für eine Stellungnahme vorerst nicht zu erreichen war.

Ein Nord-Stream-2-Sprecher teilte mit, man werde den laufenden Gesetzgebungsprozess in den USA nicht kommentieren.

Zehntausende betonummantelte Rohrstücke liegen bereits auf dem Boden der Ostsee, jedes einzelne gut 24 t schwer. Miteinander verschweißt bilden sie die beiden Stränge der Pipeline Nord Stream 2, die über eine Länge von rund 1230 km in weitaus größerem Umfang als bislang russische Erdgaslieferungen direkt nach Deutschland ermöglichen soll. Die Route verläuft in weiten Teilen parallel zur bereits bestehenden Pipeline Nord Stream. Startpunkt ist die russischen Ostseeküste westlich von Sankt Petersburg, Ziel ist Lubmin unweit von Greifswald. Fertig ist die gewaltige Doppelröhre, die aus zwei Leitungen mit einem Durchmesser von jeweils gut 1,20 m besteht, noch nicht. Zwar sind für Nord Stream 2 von Spezialschiffen bereits deutlich mehr als 2000 km und damit ein Großteil der insgesamt rund 200.000 Rohrstücke in einer Tiefe von bis zu 210 m auf dem Grund der Ostsee verlegt worden. Doch ob die Arbeiten wie geplant weitergehen können, ist derzeit unklar, nachdem das US-Repräsentantenhaus Sanktionen gegen an dem Pipeline-Projekt beteiligte Firmen auf den Weg gebracht hat.

Geplant ist, dass Nord Stream 2 künftig eine jährliche Kapazität von 55 Mrd cbm erreicht. Da ist ebensoviel wie die Kapazität der 2011 eingeweihten ersten Nord Stream Pipeline und nach Unternehmensangaben genug, um 26 Mio Haushalte zu versorgen.

EU-Handelskommissar Phil Hogan hat die USA vor Strafmaßnahmen wegen des Pipeline-Projekts gewarnt. "Die EU-Kommission ist prinzipiell gegen die Verhängung von Sanktionen gegen EU-Unternehmen, die rechtmäßig arbeiten", sagte Hogan in Brüssel. Er verwies auf die überarbeitete EU-Gasrichtlinie, die auch für das deutsch-russische Projekt gelten soll.

Die EU verfüge nun über "klare Regeln für alle Pipelines", um eine Kontrolle "im Einklang mit EU- und internationalem Recht" zu gewährleisten, sagte Hogan.

?Die Verabschiedung der Sanktionen gegen Nord Stream 2 durch das US-Repräsentantenhaus ist ein Affront gegen die europäische Souveränität und ein nicht akzeptabler Eingriff in die autonome Energiepolitik Europas. Die Umsetzung dieser Sanktionen, die sich unmittelbar gegen europäische Unternehmen richten, würde die transatlantischen Beziehungen erheblich belasten. Sie wäre auch ein Rückschlag für die laufenden Bemühungen der EU, einen neuen Gastransitvertrag zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln. Druck von außen ist hier alles andere als förderlich. Sollten die Sanktionen umgesetzt werden, drohen zudem steigende Energiepreise zum Nachteil der europäischen Industrie und Verbraucher. Europa muss allen Versuchen der USA, den Absatz US-amerikanischen Flüssiggases in Europa mit unlauteren Mitteln zu fördern, entschieden entgegentreten. Amerikanisches Flüssiggas ist neben Gas aus Russland und anderen Quellen eine willkommene Ergänzung im europäischen Energiemix - aber nur zu fairen Wettbewerbsbedingungen. Wir fordern die Bundesregierung und die neue EU-Kommission auf, alle diplomatischen Kanäle zu nutzen, um die Umsetzung dieses Gesetzes noch zu verhindern. Die innenpolitischen Querelen in den USA dürfen nicht auf dem Rücken Europas ausgetragen werden", sagte Oliver Hermes, Vorsitzender des Ost-Ausschuss - Osteuropavereins der Deutschen Wirtschaft.

Die deutsch-russische Außenhandelskammer (AHK) hat die Sanktionen ebenfalls scharf verurteilt und fordert als Gegenmaßnahme nun Sanktionen gegen die USA. "Es ist an der Zeit, dass Berlin und Brüssel eine klare politische Position beziehen und mit gezielten Gegenmaßnahmen antworten", erklärte der AHK-Präsident Rainer Seele, gleichzeitig Chef des österreichischen Öl- und Gaskonzerns OMV. Auf dem Spiel stehe die energiepolitische Unabhängigkeit Europas.

Der Vorstandsvorsitzende der deutsch-russischen AHK, Matthias Schepp, erklärte, die geplante Pipeline erhöhe die Energiesicherheit in Europa und sorge für günstige Energiepreise auch im Vergleich zum teureren Flüssiggas aus den USA. Dessen Verkauf nach Europa solle durch die neuen Sanktionen befördert werden, kritisierte er.

Er verwies auf ein Positionspapier der AHK. Demnach braucht Deutschland günstige Energiepreise, um mit seinen energieintensiven Industrien im weltweiten Wettbewerb bestehen zu können. Die Abhängigkeit von russischem Gas sei ein Scheinargument, da ein theoretischer Lieferstopp Russlands heutzutage durch den Kauf von Flüssiggas ausgeglichen werden könne. Die EU hänge weniger vom russischen Gas ab als Russland von den Deviseneinnahmen für in die EU geleitetes russisches Gas.

rus/13.12.2019

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