Euro Intern

"Euro Intern" enthält neben umfassenden Informationen zur Geldpolitik in der Eurozone und der EU auch wichtige Hintergrundinfos und Analysen mit Charts von EZB-Beobachtern.

IW sieht für Politik akuten Handlungsbedarf in 19 Regionen

Erscheinungsdatum Website: 09.08.2019 17:55:02
Erscheinungsdatum Publikation: 12.08.2019

zurück zur Übersicht

BERLIN (Dow Jones)--Das Institut der deutschen Wirtschaft sieht angesichts der fortschreitenden Digitalisierung der Wirtschaft und der Alterung der deutschen Gesellschaft akuten Handlungsbedarf in einem Fünftel der deutschen Regionen. Ohne Hilfe der Politik drohten diese Gebiete den Anschluss zu verlieren und Deutschlands Geschäftsmodell der Hidden Champions unter die Räder zu kommen.

Die in einer Studie aufgezeigten regionalen Disparitäten würden sich über die kommenden Jahre wahrscheinlich weiter verstärken, wenn die Politik nicht beherzt eingreife. "Bleibt die Politik untätig, werden also auch die gesellschaftlichen Spannungen zunehmen. Dann kommt es zu gefährlichen Abwärtsspiralen", warnte Michael Hüther, Direktor des IW.

Bund sollte Schulden machen

Als Konsequenz aus einer Studie zur Zukunft der Regionen fordert das Kölner Institut von den Bundesländern Schuldenerlass für die betroffenen Regionen. Zudem müssten öffentliche Investitionen in den Netzausbau von Schiene und Breitbandinternet sowie von Bildung steigen, die notfalls auch mit Schulden finanziert werden sollten. Denn wegen der aktuell negativen Renditen aller Bundesanleihen könnte der Bund mit neuen Schulden Geld verdienen.

"Wir haben eine Finanzierungssituation, dass der Bund auf alle Laufzeiten hin Geld geschenkt bekommt, wenn er von anderen Leute noch Geld haben will", so Hüther. "Das nicht zu nutzen, hieße ja ökonomisch unklug zu handeln."

Auch müsse es zu einer Flexibilisierung der Schuldenbremse kommen. Denn die nötigen Investitionen beispielsweise in die kommunale Infrastruktur und in den Klimaschutz werden wir "nicht anders stemmen können".

Um junge Menschen auf dem Land zu halten, müssten die gefährdeten Regionen attraktive Bildungsangebote schaffen. Außerdem brauche es eine offene, flexible kommunale Verwaltung, damit bürgerschaftliches Engagement nicht von Bürokratie abgeschreckt werde.

"Eine kluge Regionalpolitik sollte den Kommunen die Möglichkeit geben, sich selbst zu helfen", ergänzt Jens Südekum, Studienmitautor und Ökonom an der Universität Düsseldorf. "Aber auch der Bund und die Länder sind in der Verantwortung."

19 von 96 Regionen drohen Anschluss zu verlieren

Die IW Studie "Die Zukunft der Regionen in Deutschland - Zwischen Vielfalt und Gleichwertigkeit" wurde mit Wissenschaftlern vier deutscher Hochschulen erstellt. Die Forschung ergab, dass 19 von insgesamt 96 deutschen Regionen Probleme haben. Dabei lägen 11 der betroffenen Gebiete in Ostdeutschland, wo das Demografie-Problem durchschlägt. Das gestiegene Durchschnittsalter hat besonders in Anhalt-Bitterfeld-Wittenberg, Lausitz-Spreewald, Oberlausitz-Niederschlesien sowie Ost- und Südthüringen zu Problemen geführt.

Im Westdeutschland zählen auch Duisburg/Essen, Bremerhaven und Emscher-Lippe zu den Problemregionen. "Die betroffenen Länder sollten Schuldenerlasse für die Kommunen in Betracht ziehen, damit diese wieder handlungsfähig werden", schlug Hüther vor.

Wichtig sei es, den ländlichen Raum zu stärken, da sich wirtschaftliche Aktivitäten zunehmend in die Metropolen verlagerten. Dieser Trend würde sich mit der Automatisierung und Digitalisierung der Wirtschaft wohl noch verstärken, da die zukunftsträchtigen interaktiven Branchen eher in der Stadt und die manuellen industriellen Berufe, die vom Strukturwandel besonders betroffen seien, eher auf dem Land vorzufinden seien.

"Bei Regionalpolitik geht es keinesfalls bloß um die räumliche Umverteilung von Einkommen", so Südekum. "Vielmehr ist Regionalpolitik eine ökonomisch effiziente Investitions- und Wachstumspolitik."

DJG/aat/smh/12.08.2019

zurück zur Übersicht