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Griechisches Parlament stimmt für Reparationsforderungen an Deutschland

Erscheinungsdatum Website: 18.04.2019 18:15:02
Erscheinungsdatum Publikation: 23.04.2019

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ATHEN (AFP)--Das griechische Parlament hat am Mittwochabend dafür gestimmt, Reparationsforderungen an Deutschland wegen der beiden Weltkriege zu stellen. Die Mehrheit der Abgeordneten stimmte für eine Resolution, welche die Regierung von Ministerpräsidenten Alexis Tsipras dazu verpflichtet, die griechischen Entschädigungsforderungen "mit allen notwendigen diplomatischen und rechtlichen Schritten" durchzusetzen. Die Bundesregierung bekräftigte jedoch, dass sie alle Ansprüche als bereits abgegolten betrachtet.

Sowohl die Abgeordneten von Tsipras' Regierungspartei Syriza als auch die der oppositionellen konservativen Nea Demokratia und der sozialdemokratischen Bewegung der Veränderung (Kinal) stimmten dem Resolutionsentwurf zu. "Das ist eine historische und moralische Aufgabe", sagte Tsipras im Parlament. Die Regierung werde Deutschland "eine mündliche Mitteilung" überbringen, um den Dialog hinsichtlich dieses Themas zu beginnen.

Die Ansprüche erfolgreich geltend zu machen ist ein Wahlversprechen von Tsipras aus dem Jahr 2015. In der Resolution heißt es nun, seine Regierung solle dafür sorgen, dass "die Forderungen Griechenlands aufgrund des Ersten und Zweiten Weltkrieges vollständig erfüllt" würden.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Mittwochnachmittag, er könne derzeit nicht beurteilen, wie die Debatte ende und welche Folgen sie haben werde. Die Regierung wisse "um die große Schuld und das große Leid", das Deutschland zu Zeiten des Nationalsozialismus über Griechenland gebracht habe.

Zur Frage von Reparationen habe sich aber an der Haltung der Regierung nichts geändert. Sie betrachte das Thema als "juristisch wie politisch abschließend geregelt", sagte Seibert.

Ein Parlamentsausschuss in Athen hatte im vergangenen Jahr die Summe, die Deutschland Griechenland schulden soll, mit mindestens 270 Milliarden Euro beziffert. Sie soll Entschädigungen für Schäden und Plünderungen während des Ersten Weltkrieges sowie für Massaker und einen Zwangskredit während des Zweiten Weltkriegs abdecken.

Unter der Besatzung Hitler-Deutschlands von April 1941 bis September 1944 wurden rund 300.000 griechische Staatsangehörige getötet. Die Nazis verübten zahlreiche Massaker, etwa in Lyngiades, Distomo, Kalavryta, Kandanos oder Viannos.

Außerdem nahm die Besatzungsmacht 1942 bei der griechischen Zentralbank einen Zwangskredit auf, der damals auf knapp 500 Millionen Reichsmark beziffert wurde und heute mit Zinsen einige Milliarden Euro wert wäre.

Deutschland hat die griechischen Forderungen stets abgewiesen. Zur Begründung heißt es in Berlin unter anderem, der Zwangskredit falle unter das Londoner Schuldenabkommen von 1953.

Der Streit um die Entschädigungsforderungen belastet das deutsch-griechische Verhältnis seit Jahren. Hinzu kamen die Auflagen der internationalen Kreditgeber während der griechischen Finanzkrise, hinter denen viele Griechen den Einfluss der Regierung in Berlin vermuteten.

In jüngster Zeit haben sich die Beziehungen zwischen den beiden Staaten jedoch verbessert. Das liegt unter anderem an der Zusammenarbeit der beiden Länder beim Thema Flüchtlinge.

DJG/raz/23.04.2019

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