Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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Fünf Weise nehmen Wachstumsprognose deutlich zurück

Erscheinungsdatum Website: 19.03.2019 18:05:56
Erscheinungsdatum Publikation: 20.03.2019

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BERLIN (Dow Jones)--Die "fünf Wirtschaftsweisen" rechnen für dieses Jahr mit deutlich weniger Wirtschaftswachstum als bisher. Sie prognostizieren angesichts der jüngsten Konjunktureintrübung für 2019 einen in etwa halbierten Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,8 Prozent sowie für 2020 von 1,7 Prozent. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) hatte im November 2018 noch 1,5 Prozent Wachstum für 2019 vorhergesagt.

"Das Expansionstempo der deutschen Volkswirtschaft hat merklich nachgelassen", konstatierten die Regierungsberater. Hierfür mitverantwortlich gewesen seien vorübergehende Produktionsprobleme in der Automobil- und Chemieindustrie. "Gleichzeitig hat sich die Grunddynamik der deutschen Wirtschaft verlangsamt." Nachfrageseitig gehe dies vor allem auf eine deutlich schwächere Exportnachfrage aus wichtigen Absatzmärkten zurück. Angebotsseitig spielten in vielen Branchen erreichte Kapazitätsgrenzen und Arbeitskräfteengpässe eine Rolle.

"Die Hochkonjunktur der deutschen Wirtschaft ist vorerst vorüber", erklärte der SVR-Vorsitzende Christoph Schmidt. "Eine Rezession ist angesichts der robusten Binnenkonjunktur aber aktuell nicht zu erwarten." Bei einer Pressekonferenz in Berlin betonte Schmidt, "dass wir für das erste Halbjahr 2019 keine kräftige Belebung erwarten". Die Kurzfristprognose für die ersten zwei Quartale liege bei ungefähr 0,3 Prozent Wachstum.

Sehr hohe Risiken

Eine robuste Binnenkonjunktur einerseits und eine gedämpfte Auslandsnachfrage andererseits stünden sich gegenüber. Es finde eine "konjunkturelle Normalisierung" statt. Von der Bundesregierung forderte der Chef der Wirtschaftsweisen eine vollständige Streichung des Solidaritätszuschlags und eine steuerliche Begünstigung des Eigenkapitals der Unternehmen.

Die Exporte werden nach den Berechnungen 2019 um 1,9 Prozent, 2020 aber dann wieder um 3,9 Prozent zulegen. Die Importe sollen 2019 um 3,9 Prozent und 2020 um 4,3 Prozent steigen. Der Sachverständigenrat sagt in seiner Prognose zudem einen Rückgang der Zahl der Arbeitslosen auf 2,181 Millionen im Jahr 2019 und auf 2,055 Millionen im Jahr 2020 voraus. Die Arbeitslosenquote soll dieses Jahr auf 4,8 Prozent und nächstes auf 4,6 Prozent sinken.

Die Anzahl der Erwerbstätigen dürfte jedoch weiter steigen und die Lohndynamik hoch bleiben. Insbesondere von dem privaten Konsum, den Bauinvestitionen und dem Staatssektor dürften 2019 positive Wachstumsbeiträge ausgehen, so die fünf Weisen. Sie rechneten mit einer Zunahme der privaten Konsumausgaben um 1,0 Prozent in diesem und 1,4 Prozent im kommenden Jahr sowie einem Plus von 1,6 Prozent dieses und 2,5 Prozent nächstes Jahr bei den Ausrüstungsinvestitionen.

Kritik an EZB-Kurs

Die Geldpolitik dürfte im Prognosezeitraum "weiterhin sehr expansiv ausgerichtet bleiben". Allerdings ergäben sich "aus der lang anhaltenden Niedrigzinsphase und der weiterhin hohen Staatsverschuldung Risiken für die konjunkturelle Entwicklung". Die Ökonomen kritisierten den Kurs der Notenbank. Diese hätte "in den vergangenen zwei Jahren auf das gestiegene Wirtschaftswachstum und die sich schließende Produktionslücke mit einer vorsichtigen Straffung der Geldpolitik reagieren können, ohne den Aufschwung zu gefährden", erklärten sie. "Aus unserer Einschätzung hätte sich die EZB da in den letzten Jahren ganz vorsichtig Spielraum schaffen können", sagte Ökonom Lars Feld.

Die Risiken für die weitere wirtschaftliche Entwicklung bewerteten die fünf Weisen als "derzeit sehr hoch". Neben dem unsicheren Ausgang der Brexit-Verhandlungen trügen hierzu insbesondere die ungelösten Handelskonflikte zwischen den USA, Europa und China sowie die Gefahr einer stärker als erwarteten Wachstumsabschwächung in China bei. "Angesichts der bereits nachlassenden weltwirtschaftlichen Dynamik hätte eine Spirale aus protektionistischen Maßnahmen das Potenzial, die deutsche Wirtschaft in eine Rezession abgleiten zu lassen", warnten die Wirtschaftsexperten.

DJG/ank/kla

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