Finanz- und Wirtschaftsspiegel

Der Newsletter "Finanz- und Wirtschaftsspiegel" informiert täglich über die Aktivitäten der internationalen Zentralbanken mit Schwerpunkt auf die Europäische Zentralbank, die Federal Reserve und die Bank of Japan.

EZB beziffert Effekte ihrer unkonventionellen Politik

Erscheinungsdatum Website: 18.03.2019 17:50:53
Erscheinungsdatum Publikation: 19.03.2019

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FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) hat erstmals offiziell die makroökonomischen Effekte ihrer seit 2014 betriebenen unkonventionellen Politik beziffert. Wie aus einem Aufsatz ihres Wirtschaftsberichts hervorgeht, geht sie davon aus, dass Anleihekäufe, Negativzinsen, sehr langfristige Refinanzierungsgeschäfte und Aussagen über den künftigen geldpolitischen Kurs (Forward Guidance) die Inflation und das Wirtschaftswachstum zwischen 2016 und 2020 um jeweils knapp 2 Prozentpunkte heben werden.

Laut EZB haben die oben genannten Maßnahmen die Inflation 2016 um 0,85 Punkte erhöht, 2017 um 0,49 Punkte und 2018 um 0,22 Punkte. Für 2019 und 2020 werden nochmal Effekte von 0,21 und 0,16 Punkten erwartet. Das reale Wirtschaftswachstum fiel laut EZB 2016 um 0,79 Prozentpunkte höher aus als ohne die genannten Maßnahmen, 2017 um 0,48 Punkte und 2018 um 0,31 Punkte. Für 2019 und 2020 werden positive Effekte von 0,20 und 0,08 Punkten prognostiziert. Zusammen genommen summieren sich diese Effekte auf je 1,9 Prozentpunkte.

QE-Beschluss fiel unter dem Eindruck rasant sinkender Inflationsraten

Ende 2014 hatte die EZB unter dem Eindruck rasant sinkender Inflationsraten bei zugleich unbefriedigender Liquiditätsausstattung des Finanzsystems beschlossen, die Liquidität im System über den direkten Ankauf von Wertpapieren zu erhöhen.

Die Zentralbanken des Eurosystems haben seit 2015 Anleihen für Milliarden Euro gekauft. Damit erzeugten sie eine künstliche Nachfrage, die die Renditen sinken ließ. Investoren kauften auf der Suche nach höheren Renditen verstärkt Aktien und andere Produkte. Das verbesserte die Finanzierungsbedingungen der Realwirtschaft direkt und indirekt. Banken konnten die so entstandene Überschussliquidität zwar bei der EZB anlegen, dies aber zu einem immer höheren Strafzins.

Dieser Einlagenzins wurde auf zuletzt minus 0,40 Prozent gesenkt. Der Mindestbietungssatz für die wöchentlichen Refinanzierungsgeschäfte der EZB liegt bei 0,00 Prozent. Diese Geschäfte wurden allerdings immer weniger in Anspruch genommen, weil die EZB den Banken im Rahmen mehrerer sehr langfristiger Refinanzierungsgeschäfte Liquidität zum Nullzins für bis zu vier Jahre anbot. Im Rahmen der zunächst begebenen LTRO konnten die Banken diese Kredite zum Kauf von Staatsanleihen einsetzen, im Rahmen des ersten TLTRO setzte die EZB Anreize gegen Staatsanleihekäufe, die aber im Rahmen des zweiten TLTRO wieder schwächer ausfielen.

EZB beeinflusst direkt das längere Ende der Zinskurve

Während die Zentralbank im Rahmen ihrer konventionellen Geldpolitik die kurzfristigen Zinsen beeinflusst, indem sie die Zinsen am kurzen Ende senkt, nimmt sie nach dem Erreichen der Nullzinsgrenze direkten Einfluss am hinteren Ende der Zinskurve, indem sie erstens Wertpapiere mit längeren Laufzeiten kauft, zweitens niedrige Zinsen und Anleihekäufe für einen längeren, zum Teil auch näher definierten Zeitraum zusagt, und drittens den Banken über LTRO/TLTRO die Möglichkeit gibt, sich das Niedrigzinsniveau für längere Zeit zu sichern.

Die EZB begründete ihre Politik mit dem Risiko einer Deflation, einer Spirale aus sinkenden Preisen und sinkender Nachfrage. In Deutschland hielt sich nicht zuletzt wegen der öffentlichen Kritik der Bundesbank an dieser Politik der Eindruck, dass die Anleihekäufe vor allem der Rettung südeuropäischer Banken und Regierungen dienen sollten. Diese Kritik macht es unwahrscheinlich, dass das deutsche EZB-Ratsmitglied Jens Weidmann den scheidenden Mario Draghi als EZB-Präsidenten beerben wird. In der von ordoliberalen Auffassungen geprägten Sichtweise deutscher Ökonomen und Politiker ist der Ankauf von Staatsanleihen von vorn herein fragwürdig.

Bericht geht auf technische Details des Kaufprogramms ein

Seit Jahresbeginn vergrößert die EZB die Anleihebestände nicht mehr, sondern hält ihr Portfolio mehr oder weniger konstant. In dem Bericht geht die EZB näher auf Details ihrer Ankaufprogramms APP ein. Sie erläutert technische Einzelheiten und beziffert auch die Unterschiede beim Ankauf von Papieren unterschiedlicher nationaler Herkunft. Ein spezielles Merkmal des APP ist, dass die Zentralbanken der Euro-Länder nur Staatsanleihen ihrer eigenen Regierung kaufen.

Der EZB-Bericht zum APP geht auf die Kritik an den Anleihekäufen ebenso wenig ein wie auf die Tatsache, dass seine makroökonomische Wirksamkeit die Hoffnungen mancher EZB-Offizieller enttäuschte.

Viele Ökonomen sind darüber beunruhigt, dass das weltweite Zinsniveau seit Jahrzehnten sinkt. Der Abstand zur Nullzinsgrenze wird immer geringer und damit auch der Spielraum der klassischen Geldpolitik. Entsprechend werden auch innerhalb der EZB Konzepte diskutiert, die EZB-Bilanz nicht wieder auf ihr Vorkrisenniveau zu verkleinern, sondern groß zu halten und zur Steuerung der Zinskurve einzusetzen. Weiter fortgeschritten ist diese Diskussion in den USA, wo die Federal Reserve gerade den Prozess der Bilanzverkleinerung zu stoppen beginnt.

DJG/hab/apo

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