Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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Wirtschaft warnt vor Brexit ohne Abkommen

Erscheinungsdatum Website: 15.01.2019 16:45:12
Erscheinungsdatum Publikation: 16.01.2019

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BERLIN (Dow Jones)--Vor der entscheidenden Abstimmung über den Brexit-Vertrag am Abend im britischen Unterhaus haben Vertreter der deutschen Wirtschaft vor den Folgen einer Ablehnung gewarnt. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang, sagte im Deutschlandfunk zu einem Brexit ohne Vertrag, dieses Szenario sei für die Wirtschaft "mit enorm hohen Kosten und Schäden verbunden". Es sei ein Fehler der britischen Regierung gewesen, überhaupt über den Brexit abstimmen zu lassen.

"Ein EU-Austritt ohne Abkommen wäre völlig unberechenbar", sagte Lang nach Angaben des Senders. "Da kann man sich auch nur begrenzt drauf vorbereiten." Britische Bestrebungen, den Austrittstermin möglicherweise zu verschieben, quittierte Lang "mit gemischten Gefühlen". Der politische Aspekt einer Verschiebung sei die Hoffnung darauf, dass man das gewünschte Ziel noch erreiche - aus Sicht der Wirtschaft sei es aber eine Verlängerung des Unsicherheitszeitraums. "Wir wären daran interessiert, dass es einen Termin gibt, an dem eine finale Entscheidung getroffen wird."

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) unterstrich angesichts der Spekulationen über eine Verschiebung des britischen EU-Austritts ebenfalls die negativen Folgen für die deutschen Unternehmen. "Damit gäbe es weiterhin keinerlei Planungssicherheit im deutsch-britischen Geschäft", sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer der Neuen Osnabrücker Zeitung. Die Entscheidung über den Brexit dürfe nicht dauerhaft verschoben werden.

"Ein harter, ungeregelter Brexit trifft auch uns", warnte auch Schweitzer. Immerhin sei Großbritannien Deutschlands fünftwichtigster Handelspartner, das Handelsvolumen habe 2017 bei 122 Milliarden Euro gelegen. "Ohne Deal würden zusätzlich Millionen an Zollanmeldungen und Milliarden an Zöllen fällig", sagte der DIHK-Präsident.

Abstimmung am Dienstagabend

Am Vortag hatte die Kammerorganisation bei einer Bundestags-Anhörung bereits Vorschläge zurückgewiesen, für eine britische Zustimmung zum Brexit-Abkommen Abstriche beim freien Verkehr von Gütern, Dienstleistungen, Personen und Kapital zu machen. "Der Schutz des EU-Binnenmarktes hat oberste Priorität", erklärte der DIHK. Dafür würden von der Wirtschaft beim Brexit auch Einbußen im Handel mit Großbritannien in Kauf genommen werden.

Der CDU-Europapolitiker Elmar Brok hatte vor der für Dienstag geplanten Unterhaus-Abstimmung dafür plädiert, London notfalls einen Aufschub beim Austritt aus der EU zu gewähren. Verliere May die Abstimmung, könne es zu einem harten Brexit "mit den schlimmen, insbesondere ökonomischen Konsequenzen für beide Seiten" kommen, oder London könne den Artikel-50-Brief über den Austritt zurücknehmen, um das Austrittsdatum zu verschieben.

Hingegen hatte der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft Kiel, Dennis Snower, gefordert, die EU sollte Großbritannien das Signal geben, in kommenden Verhandlungen nicht länger auf der strikten Unteilbarkeit der "vier Freiheiten" für Güter, Dienstleistungen, Personen und Kapital zu beharren.

Die Abstimmung über das zwischen der Regierung in London und der übrigen EU ausgehandelte Austrittsabkommen wird für Dienstagabend erwartet. Eine Ablehnung gilt als wahrscheinlich. Welches Szenario sich daran anschließt, dürfte auch davon abhängen, wie deutlich die erwartete Niederlage von Premierministerin Theresa May ausfällt.

Wird der Vertrag nur knapp abgelehnt, wäre eine zweite Abstimmung in wenigen Tagen denkbar. Bei einer deutlichen Niederlage Mays, gegen die die oppositionelle Labour-Partei bereits ein mögliches Misstrauensvotum angekündigt hat, könnte es zu Neuwahlen kommen. Möglich wäre auch eine Verschiebung des Austrittstermins um einige Monate oder eine Rücknahme des Antrags für den Austritt und ein erneutes Referendum über den Brexit.

DJG/ank/kla

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