Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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Weidmann nicht prinzipiell gegen Rückkehr zu altem EZB-Handlungsrahmen

Erscheinungsdatum Website: 16.11.2018 18:20:03
Erscheinungsdatum Publikation: 19.11.2018

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FRANKFURT (Dow Jones)--EZB-Ratsmitglied Jens Weidmann hätte nichts gegen eine Rückkehr der Europäischen Zentralbank (EZB) zu ihrem alten geldpolitischen Handlungsrahmen einzuwenden. Beim European Banking Congress in Frankfurt sagte der Bundesbank-Präsident, derzeit sei noch nicht abzusehen, wie die neue Normalität der Geldpolitik aussehen werde, aber Zentralbanken sollten ihre Handlungsweise nicht jeder Änderung am Finanzmarkt anpassen. "Solange nicht nachgewiesen werden kann, dass eine Rückkehr zum Vorkrisenregelwerk die Wirksamkeit der Geldpolitik auf nicht-triviale Weise beeinträchtigt, sehe ich keinen Grund dafür, uns von diesem Handlungsrahmen zu verabschieden", sagte Weidmann.

Vor der Finanzkrise basierte die EZB-Geldpolitik auf Refinanzierungsgeschäften mit Bieterwettbewerben und eingeschränkten Zuteilungsvolumen, einem breiten und symmetrischen Korridor von Finanzierungsfazilitäten um den Schlüsselzins herum und einer relativ kleinen Bilanz. Diesen Rahmen verließ die EZB unter dem Druck der Finanzkrise und der Staatsschuldenkrise, wobei Weidmann selbst diesen Prozess zu bremsen versuchte.

In der Folge dieser diversen Änderungen, darunter Wertpapierankäufe und große, langfristige Refinanzierungsgeschäfte mit Vollzuteilung zum Nullzins, ist die Überschussliquidität im Bankensystem laut Weidmann inzwischen neun Mal höher als nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers. "Die Geldpolitik ist in etwa genauso expansiv wie in der Zeit, als die Krise wütete, oder anders gesagt: Der verbleibende geldpolitische Spielraum ist eher begrenzt", sagte Weidmann.

Aber wie soll die neue Normalität aussehen? Der Bundesbank-Präsident warnt davor, sich diesen Zustand schon heute allzu detailliert auszumalen oder potenziell relevante Alternativen, die auf dem aktuellen Zustand basieren, auszuschließen. Stattdessen schlägt er der EZB vor, sich an folgendem Prinzip zu orientieren: "Die Bilanz sollte groß genug sein, um der Geldpolitik die Kraft zu verleihen, die sie zum Erreichen von Preisstabilität benötigt und gleichzeitig so klein wie möglich, damit sie bei der Verfolgung ihres Ziels die Marktaktivität nicht zu sehr beeinträchtigt."

Er schließe nicht aus, dass strukturelle Verschiebungen und Reibungen in den Finanzmärkten und der Volkswirtschaft eine gewisse Anpassung des operativen Handlungsrahmens notwendig machen könnten, aber es sei zu früh, solche Schlüsse schon am Beginn des Normalisierungsprozesses zu ziehen.

DJG/hab/sha

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