Nachrichten für Außenhandel (NfA)

Teaserbild 'Nachrichten für Außenhandel (NfA)'

"Nachrichten für Außenhandel (NfA)" – die einzige deutschsprachige Tageszeitung für die gesamte Außenwirtschaft bietet einen schnellen und strukturierten Überblick über die wichtigsten Entwicklungen auf den internationalen Wachstumsmärkten.

Die NfA liefert hochwertige und praxisrelevante Hintergrundinformationen, ausführliche Analysen und Bewertungen -  deutlich umfassender als in der Wirtschaftstagespresse. Im Fokus stehen die deutschen Exportbranchen mit Schwerpunkt auf Investitionsgütern

Deutschland: Das Garantievolumen steigt

Erscheinungsdatum Website: 10.10.2018 12:35:02
Erscheinungsdatum Publikation: 11.10.2018

zurück zur Übersicht

Interview mit Herwig Maaßen, Senior Manager bei PricewaterhouseCoopers

FRANKFURT (NfA)--Die Unsicherheiten wachsen weltweit - und damit auch der Respekt der deutschen Unternehmen vor einer Investitionsentscheidung außerhalb der EU. Die Bundesregierung unterstützt die Firmen bei ihrem Gang auf neue Märkte. Doch was verbirgt sich hinter den Investitionsganatien, die PricewaterhouseCoopers im Auftrag der Regierung absichert? Darüber haben sich die Nachrichten für Außenhandel mit Herwig Maaßen, bei PwC für diesen Bereich zuständig, unterhalten. Das Interview führte H. Jürgen Heinbuch.

NfA: Man darf die sogenannten Hermesdeckungen nicht mit den von Ihnen betreuten Investitionsgarantien verwechseln. Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht?

Maaßen: Durchaus. Viele der Unternehmen, für die eine Investitionsgarantie hilfreich sein kann, besitzen oftmals keine genaue Kenntnis darüber, was die Bundesregierung zur Unterstützung deutscher Investoren anbietet. Sicherlich haben die meisten davon gehört, sich aber nicht im Detail damit auseinandergesetzt. Dabei wird das Thema ?Investitionsabsicherung? für viele auch kleine und mittelgroße Unternehmen immer relevanter. Stichworte sind ?Lokalisierung? und der Aufbau von Produktionsstandorten im Ausland - verbunden mit vielen Chancen, aber eben auch in den letzten Jahren erheblich gestiegenen, unkalkulierbaren politischen Risiken.

Was steckt denn hinter einer staatlichen Investitionsgarantie?

Die Garantien sind schon seit 1960 verfügbar und schützen deutsche Investitionen im Ausland vor politischen Risiken. Dabei geht es nicht nur um die offensichtlichen Gefahren wie Krieg oder Aufruhr. Diese sind selbstverständlich auch erfasst. Abgesichert werden vielmehr auch Enteignungen oder enteignungsgleiche Eingriffe, mit denen deutsche Investoren in vielen Ländern recht häufig zu tun haben. Dies können beispielsweise eingeschränkte oder zurückgenommene Genehmigungen ebenso sein wie unberechtigte Steuerforderungen oder das Einfrieren von Bankkonten. Investitionsgarantien sichern ferner gegen Konvertierungs- und Transferrisiken bezihungsweise Zahlungsmoratorien und - auf besonderen Antrag - die Nichteinhaltung von staatlichen Zusagen ab. Ganz wichtig ist dabei, dass die Garantien mehr sind als eine Versicherung, die im Schadensfall greift und den Investor entschädigt. Sie bieten vielmehr laufenden diplomatischen Geleitschutz für das Auslandsprojekt und helfen dabei, aufkommende Probleme aus dem Weg zu räumen, sodass es gar nicht erst zum Scheitern des Projektes kommt. Dabei ist die Bundesregierung über ihre diplomatischen Kanäle sehr erfolgreich. In den letzten zehn Jahren wurden durch dieses effektive und zielgerichtete Krisenmanagement Schäden in Höhe von mehr als 1 Mrd. Euro vermieden. Und das ist auch aus Sicht der Unternehmen der wesentliche Mehrwert der Garantien.

Für wen kommt der Schutz infrage?

Für deutsche Unternehmen oder Privatpersonen, die in Entwicklungs- und Schwellenländern eine unmittelbare Direktinvestition vornehmen. Ein direktes unternehmerisches Engagement ist erforderlich. Reine Kapitalanlagen ohne unternehmerischen Einfluss werden nicht abgesichert. Darüber hinaus können nur förderungswürdige Projekte berücksichtigt werden - so im Hinblick auf Arbeitsplatzeffekte, Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsaspekte, Know-how-Transfer und Rückwirkungen auf Deutschland - und es muss ein hinreichend stabiler Rechtsschutz bestehen, zum Beispiel auf Grundlage von Investitionsförderungs- und -schutzverträgen.

Werden diese Garantien häufig in Anspruch genommen?

Investitionsgarantien gibt es - wie gesagt - seit 1960, haben aber in den letzten 10 bis 15 Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Allein in den letzten zehn Jahren ist das Garantievolumen um fast 75% gestiegen und liegt derzeit bei rund 35 Mrd Euro. Auch im laufenden Jahr verzeichnen wir - vor dem oben genannten geopolitischen Hintergrund - einen deutlichen Nachfrageschub. So stieg das Volumen neuer Absicherungen im ersten Halbjahr im Jahresvergleich um 80%. Die Interessenten stammen aus nahezu allen Branchen - es gibt auch keinen Bezug zu den Unternehmensgrößen.

Ist die Entwicklung auf den um sich greifenden Protektionismus zurückzuführen?

Dies ist sicherlich einer der Gründe sowie auch der damit zusammenhängende Trend zur Lokalisierung. Die Unternehmen sind durchaus in Sorge. Zudem investieren sie in spannenden, aussichtsreichen Märkten, die große unternehmerische Chancen bieten, aber eben auch mit politischen Risiken verbunden sind.

Auch wenn Sie die Nachfrage breit gefächert sehen: Gibt es Branchen, die besonders stark engagiert sind?

In diesem Jahr registrieren wir ein deutlich steigendes Interesse im Bereich der erneuerbaren Energien. Ebenso stark vertreten sind die chemische und pharmazeutische Industrie sowie - klassischerweise - der Kfz- und der Baustoffsektor. Es gibt allerdings auch eine lebhafte Nachfrage aus dem tertiären Sektor, dem Handel, und aus dem primären Sektor, also der Landwirtschaft und der Grundstoffgewinnung.

Auf welchen Ländern liegen die Schwerpunkte?

Die Nummer eins im Deckungsbestand ist Russland, dicht gefolgt von China. Zur Spitzengruppe gehören auch Indien, Ägypten und die Türkei.

Sind die vom Bund mit dem jeweiligen Land geschlossenen Investitionsschutzabkommen die Grundvoraussetzung für eine Garantie?

Grundsätzlich ist das so. Es handelt sich um einen völkerrechtlichen Vertrag, in dem beide Staaten sich verpflichten, Investitionen aus dem jeweils anderen Land nach international anerkannten Spielregeln zu behandeln. In einem Krisenfall existiert dadurch eine völkerrechtliche Grundlage, um das Vorhaben bei der anderen Regierung anzusprechen und eine Lösung zu finden. Darüber hinaus bietet der IFV im Schadensfall auch die Basis für Regressforderungen. Haushaltsrechtlich ist dies für den Bund eine grundlegende Voraussetzung. Es gibt aber auch Ausnahmen. So ist der zuständige Interministerielle Ausschuss nach intensiver Prüfung im Einzelfall auch bereit, auf Basis der nationalen Rechtsordnung einzelner Länder die Garantie zu gewähren. Beispiele hierfür sind Brasilien, Kolumbien und Taiwan. Diese Fälle bedürfen in jedem Fall einer intensiven Risikoanalyse.

Dies sind dann Einzelfallentscheidungen?

Genau. Es muss im Detail recherchiert werden, wie der Schutz ausländischer Investitionen im Land geregelt ist. Betrachtet wird dabei z.B. der Enteignungsschutz und der Zugang zu Gerichten. In der Regel wird in solchen Fällen auch eine um 10% erhöhte Prämie erhoben. So liegt der Regelsatz für Investitionsgarantien bei 0,5% der Deckungssumme pro Jahr, für Länder ohne IFV - eben z.B. Brasilien - sind es in der Regel 0,55%.

Wenn das Schutzabkommen eine Voraussetzung ist - warum benötigt ein Unternehmen dann noch eine Investitionsgarantie?

Natürlich ist es richtig, dass sich der Bund auf Grundlage der Investitionsschutzverträge generell für deutsche Investitionen im Ausland einsetzt. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass diese politische Flankierung deutlich wirkungsvoller ausfällt, wenn dahinter eine Investitionsgarantie steht. So sind drohende Konsequenzen eines Entschädigungsfalles - also zum Beispiel die Deckungssperre für das Land, der drohende diplomatische Regress oder die Ansprache des Falles in internationalen Gremien - für die Gaststaaten höchst unangenehm und erhöhen, wie wir bei einer Vielzahl von Projekten in den letzten Jahren feststellen konnten, die Lösungsbereitschaft im Konfliktfall deutlich. Zudem ist die Bundesregierung bereit, sich im Krisenfall auf Grundlage der Garantie auch an den Kosten der Schadensvermeidung zu beteiligen. Investitionsgarantien schützen darüber hinaus auch gegen faktische Risiken wie Krieg oder Aufruhr; dies ist durch Investitionsschutzverträge nicht abgedeckt. In Summe beinhaltet eine Investitionsgarantie aus Sicht der Unternehmen damit einen deutlichen Mehrwert.

Nun hat Indien, in den von Ihnen genannten Top 5 vertreten, das Investitionsschutzabkommen mit der Bundesrepublik aufgekündigt. Gewähren Sie dort keine Garantien mehr?

Stand heute ist es durch die Kündigung des Vertrages in der Tat nicht möglich, Investitionsgarantien für Projekte in Indien zu erhalten. Der Interministerielle Ausschuss setzt sich aktuell jedoch intensiv mit der innerstaatlichen Rechtsordnung des Landes auseinander, und wir gehen davon aus, dass im Ergebnis sehr bald wieder Garantien vergeben werden können. Unternehmen können auch weiterhin Anträge stellen, die dem Interministeriellen Ausschuss dann unmittelbar vorgelegt werden, sobald wieder Deckungsmöglichkeiten bestehen.

Gibt es ein konkretes Zeitfenster für Indien?

Nein, aber die Bundesregierung ist sich sehr bewusst, wie wichtig gerade Indien für die deutsche Wirtschaft ist, und wie wichtig die Investitionsgarantien für die Realisierbarkeit von langfristigen Vorhaben auf dem Subkontinent sind. Wir sind in einem sehr intensiven Dialog mit Berlin und uns auch gewiss, wie engagiert daran gearbeitet wird, wieder Deckungsmöglichkeiten für das Land zu schaffen. Wir haben zudem den Eindruck, dass die Unternehmen Verständnis dafür aufbringen, dass sich der Bund aus haushaltsrechtlichen Erwägungen sehr intensiv mit der Qualität des Investitionsschutzes und möglichen Lösungsansätzen für die Deckungsübernahme auseinandersetzen muss. Es herrscht keine Enttäuschung vor, sondern Hoffnung, dass recht bald eine neue Basis geschaffen wird.

Wurden deswegen schon Projekte abgesagt?

Investitionen haben immer eine gewisse Vorlaufzeit. Wenn wir heute mit Unternehmen sprechen, dann sollen die ersten Maßnahmen in sechs oder zwölf Monaten umgesetzt werden. Wir gehen davon aus, dass wir in "greifbarer Zeit" zu einer Lösung mit Indien kommen und auch Garantien für die derzeit angemeldeten Vorhaben geben können. Wir haben keine Kenntnis davon, dass einzelne Investments ganz abgesagt werden. Im Gegenteil registrieren wir, dass viele Projekte sich in Vorbereitung befinden.

Wird ein neues, modernisiertes Schutzabkommen angestrebt?

Deutschland allein kann keine Investitionsschutzabkommen mehr abschließen. 2009 ist die Kompetenz zum Abschluss dieser Verträge auf die EU übergegangen. Die EU strebt ein neues Abkommen mit Indien an.

Auch für die Philippinen konnten lange Zeit keine Deckungen übernommen werden. Wie sieht es dort nun aus?

Es gab tatsächlich viele Jahre eine Deckungssperre für die Philippinen, weil es einen ungelösten Schadensfall gegeben hatte. Der Schadensfall ist inzwischen gelöst und es existiert ein Investitionsförderungs- und -schutzvertrag, sodass bereits wieder Garantien übernommen werden konnten. Aber die Philippinen sind ein gutes Beispiel. Wenn es einmal zu einem Schadensfall kommt, wird dies auch schnell publik. Es war durchaus zu spüren, dass das Investitionsklima aus der Sicht deutscher Unternehmen als stark eingetrübt angesehen wurde.

Was raten Sie den deutschen Unternehmen?

Sie sollten in jedem Fall prüfen, ob ihnen eine Investitionsgarantie weiterhelfen kann. Wir haben manchmal den Eindruck, dass dieses Instrument fälschlicherweise als Förderinstrument für Großunternehmen oder spezielle Länder angesehen wird. Auch besteht offenbar die Sorge, dass der Antrag hohe administrative Anforderungen stellt. Dabei ist eine Garantie vor allem für den Mittelstand eine Chancen, die oft unkalkulierbaren Risiken eines Auslandsengagements zu minimieren. PwC steht immer gerne für kostenlose Beratungsgespräche zur Verfügung, mit Experten für spezifische Branchen und einem gesonderten Ansprechpartner für KMU. Sprechen Sie uns gern an.

Können Sie konkrete Beispiele nennen?

Wir haben derzeit einige Garantieübernahmen in Staaten, die bislang keine nennenswerte Rolle spielten. Positive Deckungsentscheidungen des Bundes gab es jüngst beispielsweise für Kirgisistan und erstmals seit Jahrzehnten auch wieder für Mali. Der Bund ist gerade in Bezug auf Afrika sehr interessiert daran, privatwirtschaftliches Engagement durch die Gewährung von Investitionsgarantien zu unterstützen. Dabei sei angemerkt, dass es bei Investitionsgarantien weder Länderplafonds noch Unter- oder Obergrenzen für die Garantien gibt. In den vergangenen Jahren hat der Bund Garantiezusagen für Projekte in einer Bandbreite von 20.000 Euro bis 1,5 Mrd Euro übernommen. Bereits heute wird jede dritte Garantie an kleine und mittelgroße Unternehmen vergeben. Das freut uns sehr. Gleichzeitig arbeiten wir sehr daran, das Instrument in der Breite noch bekannter zu machen, um diesen Anteil weiter zu steigern.

Gibt es eine Auflistung der Staaten, mit denen die Bundesrepublik oder die EU Investitionsschutzabkommen geschlossen haben?

Auf der Internetseite www.investitionsgarantien.de kann für jedes Land überprüft werden, ob ein Vertrag besteht und ob der Bund Investitionsgarantien übernimmt. Ansonsten stehen die Berater von PwC für eine persönliche Auskunft zur Verfügung.

Die beispielsweise mit Australien und den Mercosur-Staaten angestrebten Freihandelsverträge umfassen dementsprechend auch den Investitionsschutz?

In den meisten Fällen sind Kapitel zum Investitionsschutz vorgesehen. Es bleibt aber auch die Möglichkeit, seitens der EU isolierte Investitionsschutzabkommen zu schließen.

Kommen in dieser Hinsicht auch die umstrittenen Schiedsgerichte zum Tragen?

Aus Sicht der Unternehmen bietet es einen großen Mehrwert, sich mit Streitfragen bei Investitionsvorhaben neben nationalen Gerichten auch an internationale Schiedsgerichte wenden zu können. Das Thema spielt daher eine wichtige Rolle, wird in der Öffentlichkeit aber natürlich auch kontrovers diskutiert.

NfA/10.10.2018

Info:

Die Investitionsgarantien werden im Auftrag der Bundesregierung von der PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als Mandatar des Bundes bearbeitet. Weitergehende Informationen erhalten Sie unter www.investitionsgarantien.de.

Seit Jahren ist die Beratung deutscher Unternehmen bei Auslandsinvestitionen im Hinblick auf die Investitionsgarantien des Bundes Schwerpunkt der Tätigkeit von Herwig Maaßen. Er ist Mitglied der Leitung des hierfür tätigen Teams bei PwC und dabei im Wesentlichen für die Öffentlichkeitsarbeit sowie die Themen Risiko- und Qualitätsmanagement und Controlling zuständig.

Tel.: +49 4063782066

herwig.maassen@de.pwc.com

www.pwc.de

zurück zur Übersicht