Finanz- und Wirtschaftsspiegel
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Merkel schwenkt bei Eurozone-Budget auf Macron ein
Erscheinungsdatum Website: 19.06.2018 19:20:02
Erscheinungsdatum Publikation: 20.06.2018
BERLIN (Dow Jones)--Deutschland und Frankreich haben sich bei einem Treffen in Meseberg auf Pläne für umfassende europäische Reformen geeinigt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will dabei stärker auf die französischen Vorschläge zur Vertiefung des Euroraums eingehen als bisher.
Die Kanzlerin kündigte nach dem Treffen mit Präsident Emmanuel Macron in dem nördlich von Berlin gelegenen Schloss an, dass sie die Einführung eines eigenen Haushalts für die Eurozone unterstützt. "Wir setzen uns ein für ein Euro-Budget", sagte sie bei der gemeinsamen Pressekonferenz. Sie nannte noch keine Details über die Höhe des Haushalts. Das Geld soll ihren Worten nach dafür genutzt werden, um "Investitionen zu stärken".
Der Euro-Haushalt soll insgesamt "Wettbewerbsfähigkeit, Konvergenz und Stabilisierung" fördern, heißt es in einer von Deutschland und Frankreich bei dem Treffen vereinbarten "Erklärung von Meseberg". Die Entscheidungen über die Mittelausstattung solle die Verhandlungen über den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen berücksichtigen. Die nötigen Investitionen sollen laut der Erklärung "in Innovationen und Humankapital" fließen.
Das Budget ist eine zentrale Forderung Macrons für die Reform der Wirtschafts- und Währungsunion, um sie gegen künftige Krisen zu wappnen. Der Staatschef sagte, beide Länder hätten sich geeinigt auf die Schaffung eines Eurozonen-Budgets "mit einer Investitionskomponente" für die Länder der Eurozone. "Das ist ein echter Haushalt mit Einnahmen und Ausgaben auf Jahresbasis", betonte er. Starten werde das Eurozonen-Budget 2021 mit der neuen mittelfristigen Finanzplanung.
Aus mehreren Quellen gespeist
Die Mittel sollten aus nationalen Transfers oder durch Steuereinnahmen aufgebracht werden, die zugewiesen würden, sowie durch europäische Quellen. Merkel nannte als Beispiel eine Finanztransaktionssteuer, für deren Einführung ein neuer Anlauf genommen werden soll. Die Details stünden aber noch nicht fest und könnten den europäischen Partnern auch nicht in Stein gemeißelt auf den Tisch gelegt werden. "Das werden wir noch mit unseren Partnern besprechen", erklärte Macron.
Zusätzlich wollen Merkel und Macron den EU-Partnern auf dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs am 28. und 29. Juni vorschlagen, dass die Eurozone einen weiteren Notfalltopf bekommt. Merkel sprach zuletzt von einer Kreditlinie mit einem Volumen im niedrigen zweistelligen Milliardenbereich. Euro-Staaten, die unverschuldet in eine Wirtschaftskrise geschlittert sind, sollen die Mittel erhalten und bei besserer Lage wieder zurückzahlen.
Der Währungsfonds soll kommen - heißt aber anders
Außerdem wird die Erweiterung des Eurorettungsfonds ESM von beiden großen Führungsnationen Europas getragen. Merkel erklärte aber, dass das Vehikel nun doch nicht Europäischer Währungsfonds heißen soll. "Da es von verschiedenen Seiten in Bezug auf die Erwähnung von Währung Bedenken gab, haben wir es jetzt erst einmal die Weiterentwicklung des ESM genannt." Wie die Institution letztlich heiße, werde man sehen. "Aber es ist genau das, was wir mit einem Europäischen Währungsfonds meinen", sagte die Kanzlerin.
Dieser "sehr erweiterte ESM" solle auch das Knowhow haben, um die makroökonomische Situation der Länder zu bewerten. Paris und Berlin stimmen auch darin überein, dem Fonds die Letztabsicherung für die Rettung von Pleitebanken zu übertragen. Daran hatten die Finanzminister beider Länder in den letzten Wochen intensiv gearbeitet. In einem ersten Schritt soll nun laut der deutsch-französischen Erklärung der intergouvernementale ESM-Vertrag geändert werden - in einem zweiten Schritt soll der ESM dann unter EU-Recht fallen.
Merkel spricht von neuem Kapitel
"Wir können mit unseren Vorschlägen einen guten Schritt vorangehen", zeigte sich die CDU-Vorsitzende insgesamt zufrieden. Es liege noch Arbeit vor den Europäern, aber heute sei ein kleines Stück des Weges geschafft. "Wir schlagen in der ganzen Breite ein neues Kapitel auf." Macron äußerte sich ähnlich: "Wir wollen ein neues Kapitel in der Organisation der Eurozone aufschlagen", sagte der französische Präsident. "Europa muss souveräner und geeinter sein."
Ob all die Vorschläge zur Ertüchtigung der anfälligen Währungsunion Realität werden, ist derzeit aber fraglich. Starker Widerstand gegen zusätzliche Gelder für den Euroraum kommt aus den Niederlanden und Nordeuropa. Darüber hinaus verständigten sich Deutschland und Frankreich in Meseberg darauf, die Verteidigung des Kontinents europäischer zu organisieren. Bei der drängenden Frage der Migration und Grenzsicherung sagte Macron der schwer unter Druck stehenden Kanzlerin zu, dass sein Land bereits registrierte Flüchtlinge zurücknehmen werde, sollten diese nach Deutschland weiterreisen. "Das kann ich Ihnen bestätigen", antwortete er auf eine Frage eines Journalisten. Auch werde man "gemeinsam an einer Lösung auf Ebene verschiedener Staaten arbeiten, die betroffen sind".
Ziel bleibe eine europäische Antwort auf die Migrationsproblematik, sagte Merkel. Zuallererst gelte es, deren Ursachen zu beseitigen. Beide Politiker sprechen sich außerdem dafür aus, dass die europäische Grenzschutzagentur Frontex deutlich personell verstärkt werden müsse. Auch gelte es, die Asylstandards in Europa anzugleichen. Eine Europäische Asylagentur soll nach den Vorschlägen die rechtlichen Maßnahmen harmonisieren.
DJG/chg/ank/mgo