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Wie HNA in Ungnade fiel

Erscheinungsdatum Website: 22.11.2017 10:05:29
Erscheinungsdatum Publikation: 23.11.2017

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Unternehmensgruppe ist hochverschuldet / Nettogewinn fällt um 10% / Von Anjani Trivedi und Julie Steinberg

HAIKOU (Dow Jones)--Im Sommer 2016 sagte Adam Tan, Chef der chinesischen HNA Group, zu einem Berater, dass der Konzern seiner Ansicht nach zu schnell wachse. Nach einer Übernahmeserie müsse HNA diese Zukäufe erst einmal verdauen, sagte Tan laut einer bei der Unterhaltung anwesenden Person. Er hörte jedoch nicht auf seinen eigenen Ratschlag. Heute zahlt HNA den Preis dafür.

Tan investierte sogar noch schneller, etwa in die Deutsche Bank, die Hotelkette Hilton und die Investmentfirma Skybridge Capital. Zwischen Anfang 2015 und dem vergangenen Oktober hat HNA über 80 Zukäufe im Wert von gut 40 Mrd USD angekündigt. HNA wollte auf einer Stufe mit Investor Warren Buffetts Konzern Berkshire Hathaway stehen, sagen Informanten, doch jetzt stehen die Übernahmeaktivitäten still, während Aufsichtsbehörden und Investoren immer häufiger unangenehme Fragen stellen.

Einige US-Banken würden wegen der komplexen Eigentümerstruktur nur noch ungern Geschäfte mit HNA machen, sagten mit den Überlegungen vertraute Personen. In den vergangenen Wochen sind die Kreditkosten für HNA deutlich gestiegen.

Tan reist indes um die ganze Welt, um Kreditgeber und Firmen zu überreden, weiter mit HNA zusammenzuarbeiten, berichten eingeweihte Personen. In einer Stellungnahme an das Wall Street Journal erklärte die Gruppe, das Unternehmen habe schon vor einiger Zeit angekündigt, dass sich die Investitionen dieses Jahr im Vergleich zu 2016 etwas verlangsamen würden. HNA werde jedoch weiterhin aktiv strategische Zukäufe durchführen.

HNA und andere chinesische Großkonzerne wie Anbang Insurance Group und Dalian Wanda hatten die Märkte lange Zeit mit ihrer Übernahmelust elektrisiert. Beijing spornte solche Unternehmen an, sich auf Weltrang hochzuarbeiten, sodass chinesische Firmen im vergangenen Jahr Zukäufe im Ausland in Höhe von 220 Mrd USD ankündigten.

Fortune-500-Liste ist das Ziel

Anstatt profitable Unternehmen zu kaufen, konzentrierte sich HNA auf umsatzstarke Firmen, um schneller in die Fortune-500-Liste aufsteigen zu können, sagen mit der Strategie vertraute Personen. Tan hat Tochterfirmen auch ermutigt, Anteile an anderen Firmen zu kaufen. Die Unternehmensgruppe habe die Anlagewerte frisch aufgekaufter Firmen auch als Sicherheiten für weitere Zukäufe genutzt, sagte eine Person. Das kann jedoch gefährlich sein, glauben Banker und Analysten. Fällt der Wert der als Sicherheiten eingesetzten Firmen, stehen plötzlich die davon abhängigen Investitionen und Kredite auf dem Spiel.

Heute sind Konzerne wie HNA hochverschuldet und könnten zum Risiko für die chinesische Wirtschaft werden. Die Sorge ist, dass ein Rückzug heimischer Firmen den globalen Übernahmemarkt schwächen könnte. "Es besteht das Risiko finanzieller Schäden, aber auch das einer öffentlichen Schande, wenn ein großes chinesisches Unternehmen bankrott geht", sagt Thilo Hanemann, Direktor bei der New Yorker Beratungsfirma Rhodium Group. "Und es gibt die Ansteckungsgefahr." Finanzielle Probleme bei einem chinesischen Unternehmen, das sich weltweit Geld geliehen hat, könnten globale Konsequenzen nach sich ziehen.

Die Unsicherheit um HNA wird von den undurchsichtigen Eigentümer- und Führungsstrukturen verschärft. Der Konzern besteht aus einem Netz von Tochterfirmen. Es wäre schwer zu sagen, wer im Fall einer Krise verantwortlich ist.

HNA hat im Juli Details über die Eigentümer veröffentlicht und erstmals die Namen aller wirtschaftlichen Eigentümer genannt. Zu ihnen zählt auch eine Stiftung in New York, der fast 30% des Konzerns gehören. Tan besitzt 2,95%. Diese Informationen geben jedoch keinen Aufschluss darüber, wer die Eigentümer waren, als der Konzern weltweit zukaufte, was HNA-Anteile wert sind und wie sie übertragen werden. Auch zur Rolle der gemeinnützigen Stiftung, die weniger als ein Jahr alt ist, gibt es offene Fragen.

Die Unternehmensgruppe traf sich auch mit Banken wie J.P. Morgan und Goldman, um Fragen zur Eigentümerstruktur zu klären, sagten mit den Gesprächen vertraute Personen. Eine Quelle berichtete, dass die Antworten bisher nicht zufriedenstellend gewesen seien. Eine weitere sagte, dass HNA zwar bereitwillig Material liefere, jedoch seien noch nicht alle Fragen geklärt.

Kreditkosten als Gefahrenquelle

Eine wichtige Frage ist, ob die Gruppe auch dann noch überlebensfähig ist, wenn die Kreditkosten steigen, sagten Investoren, Analysten und Mitarbeiter von Ratingagenturen. Laut der Halbjahresbilanz haben sich die Finanzierungskosten mehr als verdoppelt.

Es gibt derzeit keinerlei Anzeichen dafür, dass HNA in Schwierigkeiten steckt. Die Aktiva summierten sich laut der Bilanz zum 30. Juni auf 1,21 Bill Yuan (CNY; rund 155,2 Mrd EUR). Ende 2016 waren es noch 1,02 Bill CNY. Die Umsätze lagen in der 1. Jahreshälfte bei 272 Mrd CNY und somit 92% höher als im vorherigen Halbjahr.

Der Nettogewinn fiel jedoch um fast 10% auf 812,5 Mio. Außerdem hat der Konzern laut eigenen Schätzungen über 100 Mrd USD Schulden.

Laut einem Informant ist es für den Konzern zuletzt schwieriger geworden, an Geld zu kommen. Anfang des Monats musste eine Sparte 8,875% Zinsen zahlen für eine Anleihe über 300 Mio EUR mit einer Laufzeit von unter einem Jahr. Eine ähnliche Anleihe musste ein chinesisches Immobilienunternehmen mit Junk-Rating zuletzt nur 5,5% Zinsen zahlen.

HNA hat sich zuletzt verstärkt an teurere, private Kreditgeber wie Hedgefonds gewendet. Im vergangenen Jahr haben die Konzernsparten außerhalb der Börse Anteile im Wert von mindestens 30 Mrd CNY verkauft, um Schulden abzuzahlen und die Kapitalrücklagen zu stärken, zeigen Finanzberichte.

HNA-Manager verkehren indes weiter mit Politikern wie dem ehemaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy. Tan wurde diesen Sommer mit dem amerikanischen Vizepräsidenten Mike Pence abgelichtet.

Im Juni veröffentlichte die Unternehmensgruppe eine Videoreihe mit dem Titel "Said by Adam Tan", in der der Konzernchef Werbung für die wohltätigen Aktivitäten des Konzerns macht und sagte, dass man zu den zehn größten Unternehmen der Welt gehören wolle. "Wir sind schlau", sagte er in dem Video. "Wir sind diszipliniert." Dow Jones

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