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Neue dynamische Märkte, vor allem in den Boomregionen Asiens und Osteuropas, gewinnen für den deutschen Automobil- und Maschinenbau zunehmend an Bedeutung. 

Der Kampf um Patente und Entwickler

Erscheinungsdatum Website: 20.09.2017 22:45:03
Erscheinungsdatum Publikation: 22.09.2017

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DETROIT (Dow Jones)--Wer wissen will, welche Technologien die Autobranche als nächstes revolutionieren, ging früher zu Automessen. Heute sind Patentanmeldungen oft aufschlussreicher.

In den vergangenen fünf Jahren haben Autobauer in den USA deutlich mehr Patente angemeldet. Die innovative Konkurrenz aus dem Silicon Valley treibt sie an: Im vergangenen Jahr meldeten die zehn weltgrößten Autobauer 9.700 Patente an, 110% mehr als 2012, berichtet die Beratungsfirma Oliver Wyman.

"Wir müssen Technologien schneller als das Valley erfinden", sagt Bill Coughlin, Chef von Ford Global Technologies. Die Sparte ist für alle Patente und Urheberrechte des US-Autobauers Ford zuständig.

Immer mehr dieser Technologien scheinen sich die Konzerne aus Science-Fiction-Romanen abgeschaut zu haben. Ford will sich etwa ein Drohnensystem patentieren lassen, das Passagiere ortet, wenn diese ein fahrerloses Taxi rufen, sowie ein fahrerloses Auto mit Sitzen, die in ihrer Anordnung an einen Konferenzraum erinnern. Dazu arbeitet der Konzern an einem Airbag, der in einen Mitteltisch eingebaut ist, um alle Passagiere drum herum zu schützen.

BMW will ein System patentieren lassen, das es fahrerlosen Autos ermöglicht, mit Fußgängern oder menschlichen Fahrern anderer Autos zu kommunizieren - durch visuelle Signale, Signaltöne oder sogar Sprache. Hyundai Motor hat einen Antrag für ein Gerät eingereicht, das es einem Fahrer erlaubt, aus einem Auto auszusteigen und dann einen Knopf zu drücken, um das Auto parken zu lassen. Toyota arbeitet unterdessen an durchsichtigen Autokomponenten.

Patenteigner haben 20 Jahre lang die exklusiven Rechte an der Technologie. In einer sich wandelnden Branche sind sie also ein wichtiges Mittel, um im Wettbewerb zu bestehen. Zwar kommt es in der Autobranche selten zu großen Streitigkeiten. Pioniere genießen durch ihre Erfindungen aber oft Vorteile wie Einnahmen aus Lizenzgebühren. Toyota hat mehrere Technologien für Hybrid-Fahrzeuge entwickelt, für deren Nutzung Wettbewerber später zahlten. So hat Ford für die Nutzungsrechte an der Technologie hinter dem Hybrid-Pkw Prius gezahlt. Eine der neusten Erfindungen des japanischen Unternehmens ist ein System, das Kameras und Datenspeicherung nutzt, um ein Album über eine Autoreise zu erstellen. Toyota will außerdem eine digitale Halskette patentieren lassen, mit der Blinde ihre Umgebung besser erfassen können. Der Autobauer scheint also auch auf branchenfremden Gebieten zu forschen.

Die gut finanzierten Start-ups und Schwergewichte der Tech-Branche üben großen Druck auf die Autobranche aus. Das Google-Schwesterunternehmen Waymo hat 2015 ein Patent für ein Fahrzeug angemeldet, das im Falle einer Kollision seine Form verändern kann. Amazon baut wie auch Uber Technologies und Apple eine eigene Sparte für fahrerlose Autos auf und hat gerade ein Patent für ein System beantragt, mit dem solche Fahrzeuge sich bei unterschiedlichen Straßenbedingungen besser zurechtfinden.

Juergen Reiner, Partner bei Oliver Wyman, sagt, dass Autobauer besser positioniert sind, um innovative Hardware zu entwickeln. Was die Software angeht, werden sie jedoch zu kämpfen haben. Anders als Unternehmen aus dem Silicon Valley haben Autobauer durch ihre Fabriken und Produktpaletten einen riesigen Kostenaufwand. "Das ist kein ausgewogener Kampf", so Reiner. "Sie müssen Autos entwickeln und werden durch andere Dinge abgelenkt."

Patentanmeldungen werden erst 18 Monate nach Einreichung publik und geben daher kein besonders aktuelles Bild auf die Erfindungen der Branche. Da jedoch immer der Name des Erfinders enthalten ist, lassen sich so viele Talente entdecken. "Das sind keine Namen, die man je in der Presse lesen würde", sagt Reilly Brennan, Partner beim Risikokapitalgeber Trucks, der in Transport-Start-ups investiert. Dennoch arbeiteten diese Ingenieure an Projekten, die spannender seien als alles, was bei einer Automesse zu sehen ist.

Toyota und Ford haben ihre weltweiten Patentanträge in den vergangenen Jahren deutlich gesteigert. Außerdem haben sie und mehrere ihrer globalen Wettbewerber ihre Forschungszentren im Silicon Valley ausgebaut. Inzwischen arbeiten sie auch an der Datenanalytik und der künstlichen Intelligenz. So hat Ford gerade Patente für Gesundheitssysteme im Auto und herausnehmbare Lenkräder und Pedale für fahrerlose Wagen beantragt.

Autobauer haben in der Vergangenheit juristische Patentstreitigkeiten häufig mit Kreuzlizenzierungen vermieden, sagt Corey Beaubien, Anwalt für geistiges Eigentum bei der Kanzlei Reising Ethington. Das könnte sich durch die Konkurrenz aus dem Valley ändern, sagt er, da Tech-Unternehmen in der Regel aggressiver mit Patenten umgehen: "Deshalb wappnen sich Autobauer mit immer mehr eigenen Patenten."

ma

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