Südosteuropa Aktuell

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Serbien: Kliniken und Krankenhäuser haben Nachholbedarf
Erscheinungsdatum Website: 18.12.2015 14:10:02
Erscheinungsdatum Publikation: 21.12.2015
BELGRAD (sud/gtai)--Der Bedarf des serbischen Gesundheitssektors an Medizintechnik ist hoch. Die Nachfrage der öffentlichen Akteure hinkt dem jedoch wegen unzureichender Finanzierungsmöglichkeiten stark hinterher. Gleichzeitig wächst die Bedeutung von Privatpraxen und -kliniken, sodass langfristig mit leichten Zuwachsraten im Markt zu rechnen ist. Die Inlandsproduktion ist gering. Importe bestimmen das Angebot. Dabei zählt Deutschland zu den führenden Lieferländern.
Das Marktvolumen für Medizintechnik in Serbien wird aktuell auf einen Jahreswert von etwa 150 Mio USD beziffert. Erhebungen des auf Branchenanalysen spezialisierten Unternehmens Espicom zufolge hat sich der Absatz in den letzten Jahren auf US-Dollar-Basis schrittweise verringert. Die Hauptgründe dafür sind die bereits über einen längeren Zeitraum hinweg schwächelnde Konjunktur und der nur geringe finanzielle Spielraum des Staates. In jüngster Zeit hat zudem die schleichende Abwertung der lokalen Währung Wirkung gezeigt. Eine spürbare Trendwende gilt auch mittelfristig als eher unwahrscheinlich. Espicom rechnet aber mit einer leichten Expansion des Marktes im niedrigen einstelligen Prozentbereich auf Jahresbasis.
Viele Gesundheitseinrichtungen im Land gelten als recht dürftig ausgerüstet und nur selten nach dem neuesten Stand der Technik ausgestattet. Entsprechend ist zwar von einem recht hohen Bedarf an medizinischen Apparaten und Geräten auszugehen. Die zumeist ausländischen Anbieter können die Absatzchancen derzeit aber nur ansatzweise nutzen. Als hemmend wirkt sich der strikte Sparkurs der Regierung zur Sanierung des Haushalts aus, der auch die staatlichen Zuwendungen für den Gesundheitssektor nicht verschont.
Die wichtigste Säule des öffentlichen Gesundheitssystems sind die landesweit verteilten 158 sogenannten Gesundheitshäuser. Knapp 20 dieser Erstanlaufstellen verfügen über kleinere stationäre Kapazitäten (10 bis 30 Betten). Das öffentliche Gesundheitswesen in Serbien umfasst darüber hinaus 41 allgemeine Hospitäler, 36 Fachkrankenhäuser, acht große klinische Zentren, sieben Spezialkliniken sowie 45 weitere Behandlungseinrichtungen.
Aufgrund der aktuell knappen Finanzressourcen fallen die Beschaffungsprogramme des öffentlichen Gesundheitssektors recht überschaubar aus. Zu den bedeutenderen Posten zählen aktuell etwa fünf Linearbeschleuniger zur Strahlentherapie. Diese sollen nach Auskunft des Gesundheitsministeriums nach und nach in Dienst gestellt werden und die langen Wartezeiten, die für die Behandlung von Krebserkrankungen typisch sind, schrittweise reduzieren. Im Bereich Neurochirurgie nahm Anfang November Serbiens erstes und knapp 5 Mio EUR teures Gamma-Knife-Zentrum zur Behandlung von Hirntumoren in Belgrad seine Tätigkeit auf.
Der finanzielle Engpass hemmt auch das Vorankommen bei den derzeit größten Investitionsprojekten im öffentlichen Gesundheitswesen - der Modernisierung und Erweiterung vier großer klinischer Zentren. Der Kostenrahmen für die entsprechenden Objekte in Belgrad (86.000 qm), Nis (48.000 qm), Kragujevac (20.000 qm) und Novi Sad (33.000 qm) beläuft sich auf insgesamt 200 Mio EUR. Die Europäische Investitionsbank (EIB) hatte bereits 2006 und 2008 Kreditlinien über zusammen 150 Mio EUR als vorläufige Teilfinanzierung zugesichert.
Bisher gab es einzig aus Nis konkrete Fortschritte zu vermelden, nachdem ein italienisches Unternehmen im Sommer 2013 dort den Zuschlag für die Umsetzung des Vorhabens erhalten hatte. Bewegung dürfte es kurzfristig auch beim Klinikzentrum Serbiens in Belgrad und beim Klinikzentrum Vojvodina in Novi Sad geben. Darauf weist eine offizielle Vorankündigung der EIB von Anfang Oktober zum baldigen Start der Tenderrunden für die Bauleistungen bei beiden Projekten hin.
Serbiens Gesundheitssystem dürfte in den kommenden Jahren zudem von der fortschreitenden Annäherung des Landes an die EU profitieren. Finanzielle Unterstützung winkt aus diversen Fonds, so auch aus dem dritten EU-Aktionsprogramm für den Bereich Gesundheit (2014 bis 2020). Darüber hinaus hat die Weltbank 2014 ihr mittlerweile zweites Projekt zur Effizienzsteigerung im serbischen Gesundheitssektor gestartet, das, ausgestattet mit 40 Mio USD, bis Herbst 2019 umgesetzt werden soll.
Gleichzeitig geht die Nachfrage nach Medizintechnik immer häufiger vom privaten Gesundheitssektor in Serbien aus. Dieser befindet sich seit Jahren spürbar im Aufwind. Der Umfang der privat erbrachten Gesundheitsdienstleistungen steigt kontinuierlich. Laut Erhebungen der WHO machte der Beitrag an den Gesamtgesundheitsausgaben, der 2013 auf private Anbieter entfiel, bereits 39,5% aus, und somit gut zehn Prozentpunkte mehr als 2002 mit 28,1%.
Auch eine Ende September 2014 neu ins Leben gerufene Interessensvertretung privater Gesundheitseinrichtungen verzeichnet starken Zulauf. Ihre Mitgliederzahl stieg innerhalb von zwölf Monaten von rund 140 bis Oktober auf gut 320. Zum privaten Leistungsspektrum zählen in Serbien neben zahlreichen Arzt- und Zahnarztpraxen zunehmend auch kleinere Kliniken und Krankenhäuser.
Private Anbieter sind insbesondere in den Bereichen Zahnmedizin, plastische Chirurgie, Dialyse, Augenheilkunde und Gynäkologie anzutreffen. Zu den größeren Akteuren mit zum Teil einer guten Handvoll Niederlassungen zählen etwa Belmedic oder Medigroup. Letztere betreibt im Belgrader Stadtbezirk Novi Beograd auch ein Allgemeinkrankenhaus (6.000 qm, sieben Operationssäle, rund 50 Betten).
Die überschaubare serbische Fertigung von Medizintechnik und spezifischem Zubehör umfasst überwiegend technisch wenig anspruchsvolle Geräte und ein kleines Sortiment an Verbrauchsmaterialien. Statistische Angaben zum Produktionsumfang sind nicht verfügbar. Dieser dürfte aber vergleichsweise gering ausfallen. Verschiedene elektromedizinische Ausrüstungen stellt das Unternehmen Proxima aus dem südserbischen Nis her. Prizma aus Kragujevac produziert unter anderem Kompressor- und Ultraschall-Vernebler zur Behandlung von Atemwegserkrankungen.
Als ausländischer Investor in der serbischen Medizintechnikbranche ist Fresenius Medical Care (FMC) vor Ort präsent. Das Unternehmen produziert am Standort Vrsac überwiegend für den Export. Haupterzeugnis sind Dialysatoren für Dialysegeräte, daneben Hämodialyse-Konzentrate und Blutschlauchsysteme. Für letztere Einwegprodukte konnte durch eine Ende des vergangenen Jahres neu eröffnete Fabrik der Ausstoß nahezu verdoppelt werden. Darüber hinaus betreibt FMC in Belgrad und Novi Sad mehrere Dialysezentren mit derzeit insgesamt 86 Behandlungsplätzen.
Die serbischen Einfuhren von Medizintechnik haben den über einen längeren Zeitraum anhaltenden Abwärtstrend zunächst gestoppt. Der Wert der Importe legte zwischen 2013 und 2014 von 108,3 Mio auf 124,9 Mio USD zu. Das Plus von immerhin 15,4% ging laut Beobachtern vor allem auf Währungskurseffekte zurück.
Mit knapp 46% aller Branchenimporte vereinigte die EU letztes Jahr einen ähnlich hohen Anteil an den Gesamteinfuhren auf sich wie im Vorjahr. Deutschland war mit einem Beitrag von gut 16% eines der Hauptherkunftsländer. Im Zuge von Steigerungen auf Dollarbasis in allen Produktsegmenten erhöhten sich die deutschen Lieferungen im Vorjahresvergleich um fast 50%. Ganz vorne lagen die USA, die knapp ein Viertel aller Medizintechnikimporte Serbiens lieferten.
J.T./sud/21.12.2015