Ostwirtschaftsreport

Der Newsletter "Ostwirtschaftsreport" fasst wöchentlich die wichtigsten Nachrichten für die osteuropäischen Märkte zusammen. Er enthält Analysen, Statistiken, Marktberichte und Hintergrundinfos zu den unterschiedlichsten Themen und Branchen. Die Berichterstattung deckt die Regionen Mittel- und Osteuropa, Südosteuropa, Russland und die GUS-Republiken ab und ist mit informativen Fotos sowie Charts angereichert. Zudem liefert der Newsletter weiterführende Kontaktadressen mit Ansprechpartnern.
Tschechien: Importe von augenoptischen Produkten steigen zweistellig
Erscheinungsdatum Website: 29.10.2015 09:20:10
Erscheinungsdatum Publikation: 03.11.2015
PRAG (owr/gtai)--In Tschechien wächst die Nachfrage nach augenoptischen Produkten. Zumindest in den Großstädten verkaufen sich inzwischen auch hochwertige Brillengläser und Fassungen sehr gut. Mit über 10 Mio Einwohnern, einer alternden Bevölkerung und immer mehr Bildschirmarbeitsplätzen ist das Land ein attraktiver Wachstumsmarkt. Das Marktvolumen für Brillen und Kontaktlinsen liegt jährlich bei bis zu 200 Mio EUR. Allerdings ist für progressive Produkte viel Überzeugungsarbeit nötig.
Tschechien erlebt zurzeit einen kräftigen Wirtschaftsaufschwung, der vor allem durch die starke Binnennachfrage getragen wird. Für dieses Jahr wird ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes um mehr als 4% erwartet. Die Arbeitslosigkeit ist ähnlich niedrig wie in Deutschland; die Reallöhne steigen bis 2018 laut Regierungsprognosen zwischen 2 und 3% pro Jahr.
Die gute Verbraucherstimmung wirkt sich positiv auf die Nachfrage nach Artikeln der Augenoptik aus. Im ersten Halbjahr sind die Einfuhren von Kontaktlinsen, Kunststoffgläsern und Brillenfassungen um rund ein Fünftel gegenüber der Vorjahresperiode angestiegen. Als Absatzmarkt ist die Tschechische Republik mit ihren 10,5 Mio Einwohnern sehr attraktiv. Ähnlich wie die Volkswirtschaften in Westeuropa altert die Bevölkerung. Der Anteil der Bildschirmarbeitsplätze steigt. Das sorgt für ein natürlich wachsendes Markpotenzial.
Ein Problem für westeuropäische Anbieter von Sehhilfen ist die Preissensibilität der tschechischen Kunden. Wegen der gerade in ländlichen Regionen noch geringen Kaufkraft greifen viele Verbraucher auf die billigsten Modelle zurück und vermeiden Zuzahlungen.
Laut einer Erhebung der Marktforschungsgesellschaft GfK Czech tragen 44% der Tschechen ab 15 Jahren eine Brille mit Korrekturgläsern. Weitere 9% benutzen Kontaktlinsen. Der Anteil der Brillenträger ist in der Hauptstadt Prag größer als in den Regionen. Marktkenner schätzen, dass Brillenträger etwa alle drei Jahre ein neues Modell kaufen. Bei jüngeren Kunden verkürzt sich der Rhythmus. Bei ihnen setzt sich eher die Einstellung durch, dass Brillen nicht nur ein medizinisches Hilfsmittel sind, sondern durchaus auch ein modisches Accessoire.
Ältere Käufer dagegen sind schwer zu überzeugen, statt einfacher Einstärkengläser fortschrittlichere Produkte auszuwählen. Die Entwicklung wird durch die geringe Kaufkraft der Senioren ausgebremst. Laut Tschechischer Sozialversicherungsverwaltung CSSZ betrug 2014 die durchschnittliche Altersrente 11.075 Tschechische Kronen (CZK; rund 400 EUR).
Tschechiens Krankenkassen erstatten derzeit 300 CZK für eine Kinderfassung und 150 CZK bei Erwachsenen. Hinzu kommen 51 CZK je Brillenglas. Optiker, die einen Vertrag mit den Krankenkassen haben, müssen ihren Kunden bei Vorlage eines Rezeptes ein Brillenmodell ohne Zuzahlung anbieten können. Derzeit wird ein neues Gesetz zu den Krankenversicherungen vorbereitet. Diskutiert wird, dass künftig nur noch Kinder, ältere Menschen oder stark Sehbehinderte eine Zuzahlung bekommen.
Wie Optikermeister Beno Blachut aus Prag berichtet, führt die gute Einkommensentwicklung zumindest in den großen Städten zu mehr Interesse an fortschrittlicheren Brillengläsern. Blachut war bis vor einem Jahr Präsident des Branchenverbands SCOO und betreibt in Prag ein eigenes Geschäft. Er beobachtet, dass heute auch immer mehr Rentner Gleitsichtgläser nachfragen. "Dafür wird von den Optikerketten zurzeit viel Werbung gemacht." Der Anschaffungspreis von rund 4.500 CZK sei für Senioren durchaus bezahlbar.
Allerdings müssten dazu auch die Augenärzte beitragen. Sie verschreiben bislang nur selten progressive Brillengläser und bremsen dadurch den Markt aus, berichten Verkäufer von Augenoptik. Der Anteil der Spezialbrillengläser, die Fern- und Nahsicht ermöglichen, liegt noch deutlich unter dem deutschen Niveau.
Bei besser verdienenden Kunden mit Sehschwächen wächst das Interesse an speziellen PC-Gläsern für die Arbeit an Computerbildschirmen. "Diese Klientel ist ab 40 Jahre und älter, verdient meist sehr gut und sucht die beste Qualität und Optikerlösung für die Augen", beschreibt Experte Blachut die Entwicklung.
Die wichtigsten internationalen Anbieter von Brillengläsern wie Essilor, Hoya, Seiko, Rodenstock oder Zeiss sind im Land präsent. Daneben gibt es einige slowakische und tschechische Hersteller wie Sagitta aus Bratislava oder Optika Civice aus Pardubice, die vor allem zugekaufte Halbfabrikate einschleifen.
Das Münchener Unternehmen Rodenstock hat seit 1994 eine eigene Fertigung im westböhmischen Klatovy. Dort produzieren über 800 Beschäftigte rund 6 Mio Brillengläser pro Jahr. Die Fabrik gehört nach Unternehmensangaben zu den produktivsten in ganz Europa. Der Großteil der Produktion geht in den Export. Allerdings konnte Rodenstock CR seine Umsätze mit Brillengläsern, Fassungen und optischen Geräten im Inland laut Jahresbericht 2014 um 6% steigern. Wettbewerber Carl Zeiss berichtet für das Geschäftsjahr Oktober 2013 bis September 2014 einen Umsatzanstieg seiner tschechischen Tochter um mehr als ein Viertel auf 487 Mio CZK.
Die steigende Nachfrage nach progressiven Gläsern hat zum Beispiel bei Rodenstock dazu geführt, auf dem tschechischen Markt höherwertige Produkte anzubieten. So hat das Unternehmen 2014 Gleitsichtgläser der Marke Impression FreeSign 3 eingeführt. Für dieses Jahr waren hochwertige Fassungen der Modellreihen Jil Sander und Bogner geplant.
Tschechiens Verbraucher geben jährlich nach Schätzungen der Vereinigung der Optiker und Optometristen (SCOO) rund 4 Mrd CZK in den Optikergeschäften aus. Frühere Veröffentlichungen gingen auch schon von 5 Mrd CZK aus. Dieses Jahr dürfte der Umsatz auf jeden Fall spürbar steigen.
Der größte Teil der augenoptischen Produkte wird importiert. Der Einfuhrwert an Brillengläsern, Fassungen und Kontaktlinsen lag im vergangenen Jahr laut tschechischem Statistikamt bei knapp 142 Mio EUR. Das war ein deutliches Plus gegenüber den beiden Vorjahren. Starke Zuwächse gibt es bei Kontaktlinsen, deren Importe sich in den vergangenen zwei Jahren mehr als verdoppelt haben.
Über alle drei Kategorien hinweg war Deutschland 2014 der wichtigste Lieferant mit einem Anteil von über einem Viertel an den Einfuhren augenoptischer Produkte. Ähnlich ausgeprägt ist allerdings die Position Österreichs, das bei Brillenfassungen mit Abstand das größte Volumen nach Tschechien verkauft. Dahinter folgen Wettbewerber aus den Niederlanden und den USA.
Anbieter aus China und aus Hongkong konnten ihre Verkäufe in den letzten Jahren zwar erheblich steigern, haben aber bislang nur einen überschaubaren Marktanteil. Bei den Importen von Brillenfassungen erreichte er 2014 rund 11%, bei Brillengläsern 5% und bei Kontaktlinsen 7%.
Fast ähnlich groß wie das Einfuhrvolumen sind Tschechiens Exporte von Augenoptik. Sie stiegen von 90,6 Mio EUR (2012) auf 120,9 Mio EUR (2014). Wichtigster Abnehmer war im Vorjahr Österreich, wohin ein Drittel der Ausfuhren ging. Dahinter folgten Deutschland (20%) und das Vereinigte Königreich (7%).
Laseroperationen erhöhen den Konkurrenzdruck für die klassischen Augenoptiker. "Durch starke Anzeigekampagnen bekommen sie großen Zulauf", sagt Branchenkenner Blachut. Da Augenärzte für ihre normale Arbeit von den Krankenkassen nur ein begrenztes Einkommen erzielen können, arbeiten immer mehr Ophthalmologen nebenbei in den Refraktionszentren, so der Marktkenner. Die Anbieter von Laseroperationen liefern sich zum Teil regelrechte Preiskämpfe, Aktionspreise beginnen bereits bei unter 9.000 CZK je Auge.
Eine der führenden Einrichtungen für Laseroperationen ist die Prager Augenklinikgruppe Lexum, die in den vergangenen zwanzig Jahren schon über 180.000 Korrekturen der Sehstärke vorgenommen hat. Die Klinikkette gehört zur Optegra-Gruppe und hat Filialen in fünf tschechischen Städten sowie in Polen.
Negativ wirkt sich auf das Geschäft mit Brillengläsern und Fassungen auch die zunehmende Konkurrenz durch Kontaktlinsen aus. Die Einfuhren sind im vergangenen Jahr um 47% auf einen Wert von 24,6 Mio EUR gestiegen. Deutschland als wichtigstes Lieferland konnte seine Verkäufe dabei sogar auf fast 5 Mio EUR verdoppeln. Im ersten Halbjahr setzte sich der Trend fort. Unter allen Produktgruppen der Augenoptik erzielten Kontaktlinsen bei den Importen den größten Zuwachs. Neben Deutschland sind das Vereinigte Königreich, Belgien und Polen die größten Lieferanten.
Gerit Schulze (gtai)