Südosteuropa Aktuell

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Kfz-Industrie bleibt die bedeutendste Industriebranche
Erscheinungsdatum Website: 20.04.2015 15:35:02
Erscheinungsdatum Publikation: 21.04.2015
BUKAREST (sud/gtai)--Trotz der Krise und des Absatzeinbruchs auf dem inländischen Kfz-Markt ist für die rumänische Wirtschaft nach wie vor keine andere Branche so wichtig wie die Automobilindustrie. Der Zweig trägt maßgeblich zum Wachstum bei. Die wichtigsten Unternehmen sind die Renault-Tochter Dacia in Pitesti/Mioveni und Ford in Craiova und vor allem zahlreiche Zulieferbetriebe, unter anderem Bosch, Continental, Daimler, Dräxlmaier, Leoni und Preh.
Der Umsatz der gesamten Automobilbranche betrug 2013 nach Angaben des Verbandes der rumänischen Automobilbauer (Acarom) 16,9 Mrd EUR. Das entspricht einem BIP-Anteil von 11,9% bei einem Wachstum um 26% gegenüber dem Vorjahr. Der Gesamtumsatz der Zulieferindustrie von 11,6 Mrd EUR übertrifft dabei bei Weitem die Erlöse der beiden Produzenten Dacia und Ford.
Acarom schätzt das Wachstum der Automobilindustrie im Jahr 2014 auf 8 bis 10%. Die staatliche Prognosekommission geht von einem Produktionsanstieg im Fahrzeugbau für 2014 und 2015 um 1,9 sowie 2% aus und von 4% im Jahr 2016. Der BIP-Anteil dürfte sich dann geringfügig weiter erhöhen.
93% der im Zeitraum Januar bis November hergestellten Autos wurden exportiert. Für das laufende Jahr wird von einer weiter schrumpfenden Pkw-Produktion auf unter 360.000 ausgegangen. Die Importe von Gebrauchtwagen wirken immer noch negativ auf den Markt. Allerdings wird damit gerechnet, dass im laufenden Jahr ein leichter Abwärtstrend einsetzt, da sich immer mehr Kunden für einen Neuwagen entscheiden.
Das Ford-Werk hat eine Kapazität von etwa 300.000 Einheiten pro Jahr. Wegen der schwachen Nachfrage in Europa für das B-Max-Modell unterbrach Ford in Craiova 2013 und 2014 mehrmals die Produktion. Im November hat das Unternehmen ein Programm für freiwillige Kündigungen angekündigt, um etwa ein Fünftel der Belegschaft loszuwerden, das entspricht 680 Mitarbeitern. Dacia, das 1999 von der Renault-Gruppe übernommen wurde, verkauft seine in Mioveni/Pitesti produzierten Niedrigpreismodelle Logan, Sandero und Duster erfolgreich vor allem im europäischen Ausland. Die Produktion in Mioveni macht 10% der rumänischen Exporte aus. Beim Absatz ist Dacia Marktführer im Land.
Die Montage des Dacia Sandero ist seit Oktober 2013 teilweise nach Marokko verlegt worden. Außerdem wurde im November beschlossen, die Produktion des Renaults Symbol für Algerien schrittweise nach Oran zu verlegen. Das Werk in Pitesti hat bislang keinen Zugang zur Autobahn nach Westen. Die Unternehmensführung wartet auf den Baubeginn der seit Jahren angekündigten Autobahn Pitesti-Sibiu. Ende 2013 beschäftige Dacia knapp 14.000 Mitarbeiter.
Seit mehreren Jahren investieren Zulieferfirmen verstärkt in Rumänien, ungeachtet der in Europa allgemein schwierigen Situation. Der Grund für das anhaltende Interesse dürfte neben dem niedrigen Lohnniveau auch die weiterhin schwierige Lage in alternativen Produktionsstandorten sein, zum Beispiel in Nordafrika. Nach Angaben von Acarom sind in Rumänien über 600 Unternehmen im Kfz-Teilesektor aktiv, die 2013 insgesamt einen Umsatz von 11,6 Mrd EUR erwirtschafteten. Rund 150 internationale Kfz-Zulieferer haben Tochterunternehmen vor Ort. Die Zulieferbranche wird voraussichtlich auch 2015 weiter wachsen.
Daimler kündigte vor einem Jahr den Bau einer Produktionsstätte für Mercedes-Getriebe an. Eine staatliche Hilfe im Wert von 37 Mio EUR wurde im August 2013 von der rumänischen Regierung für Daimler/Star Transmission zur Verfügung gestellt. Ab 2016 soll dort ein Neun-Gang-Automatikgetriebe für Mercedes-Benz produziert werden. Daimler fertigt Fünf-Gang-Getriebe bereits seit 2013. Anfang vergangenen Jahres wurde die Produktion von Sieben-Gang-Getrieben aufgenommen.
Bosch begann im Mai in Jucu im Kreis Cluj mit der Produktion von elektronischen Komponenten und Steuergeräten für die Automobilindustrie, die zum Beispiel in Fahrerassistenz- und Sicherheitssystemen eingesetzt werden.Continental betreibt sieben Produktionsstätten und drei Forschungszentren in sechs Städten. Die Sparte Continental Automotive Systems in Sibiu hat im Mai eine Erweiterung angekündigt. So soll in diesem Jahr in einer neuen Halle die Produktion von Fahrerassistenzsystemen beginnen. Dräxlmaier plant eine neue Produktionshalle für Kfz-Innensysteme in Brasov. Mit Blick auf die künftige Euro-6-Abgaspflicht investiert Renault im Technologiezentrum Titu in Prüfständer zum Testen von Motoren. Im September wird Euro 6 obligatorisch beim Verkauf neuer Pkw. Neueinstellungen von Mitarbeitern haben unter anderem Daimler, Dräxlmaier, Bosch, Autoliv, Yazaki, Kromberg & Schubert angekündigt.
Große deutsche Zulieferer wie Continental und Dräxlmaier sind mit mehreren Betrieben in unterschiedlichen Regionen vertreten: Im westrumänischen Timisoara befindet sich unter anderem ein großes Continental-Reifenwerk. Im Zentrum des Landes investieren derzeit beispielsweise Bosch, Continental, Daimler und Dräxlmaier.
Zwei weitere bedeutende Zentren der Automobilindustrie befinden sich an den Produktionsstandorten von Dacia und Ford, zum einen in Pitesti/Mioveni westlich der Hauptstadt Bukarest, zum anderen im südrumänischen Craiova, wo seit Sommer 2012 der Ford B-Max vom Band rollt.
Das niedrige Lohnniveau bleibt einer der wichtigen Faktoren für Investitionsentscheidungen internationaler Automobilzulieferbetriebe. Der gesetzliche Mindestlohn wird zwar regelmäßig erhöht, allerdings immer nur in kleinen Schritten. Er liegt seit Jahresbeginn bei 975 Lei brutto (rund 217 EUR). Ab 1. Juli soll der Mindestlohn auf 1.050 erhöht werden. Laut Acarom belaufen sich die Bruttolohn- und Lohnnebenkosten in der Industrie nach der Senkung der Sozialversicherungsbeiträge im Oktober um 5 Prozentpunkte auf 4,7 Euro pro Stunde deutlich niedriger als in anderen Ländern. Das ist ein Investitionsvorteil des Standorts Rumänien. Weitere Pluspunkte kommen in Form staatlicher Investitionshilfen, Erleichterungen auf lokaler Ebene und Zugang zu EU-Fördermitteln hinzu.
Während die niedrigen Löhne beispielsweise für die Hersteller von Kabelbäumen eine große Rolle spielen, setzen andere Produzenten zunehmend auf den Einsatz moderner Maschinen. Beim Karosseriebau für den neuen Ford-B-Max in Craiova wendet der deutsche Zulieferer Kirchhoff beispielsweise ABB-Roboter an. Auch andere Betriebe investieren in modernste Technik. Daimler baut derzeit beispielsweise sein angeblich weltweit modernstes Getriebewerk im Kreis Alba.
Diese allmähliche Modernisierung des Landes ist ein Trend, den deutsche Anbieter von Maschinen und Anlagen beobachten sollten. Viele deutsche Zulieferer wie Daimler, Dräxlmaier und Kromberg & Schubert, aber auch weitere internationale Zulieferer erweitern ihre Produktion. Damit dürfte auch die Nachfrage nach modernen Ausrüstungen und Maschinen zunehmen. Auch Dacia rechnet mit einer Automatisierung des Werkes in Mioveni. Dies gilt als notwendig angesichts der bei Dacia vergleichsweise hohen Löhne und um die Produktivität zu erhöhen.
Die Exportabhängigkeit von Dacia und Ford ist weiterhin hoch. Zwar handelte es sich bei rund einem Drittel der in den ersten elf Monaten 2014 in Rumänien verkauften Pkw um Modelle der Marke Dacia, genaugenommen um 25.168 Einheiten inklusive Modellen, die in Marokko produziert werden. Dies macht aber nur einen Bruchteil der Dacia-Produktion aus. Für Ford B-Max gibt es in Rumänien praktisch keinen Absatzmarkt. Bis November wurden auf dem inländischen Markt nur circa 7% der im Lande produzierten Autos verkauft. Die zweitbeliebteste Marke der Rumänen ist Volkswagen mit einem Marktanteil von 9,1%.
M.M./sud/21.4.2015